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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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hinderten
fortzufahren.
    »Nein, antworten Sie nicht«, riefen sie.
    »Diese Schmähungen reichen nicht an Sie hinan!«
    Er beruhigte die Kammer mit einer Handbewegung; indem er sich
mit beiden Händen auf den Rand der Tribüne stützte, wandte er sich
mit der Miene eines in die Enge getriebenen Ebers gegen die
Linke.
    »Ich werde nicht antworten«, erklärte er ruhig.
    Doch das war nur die Einleitung. Obgleich er versprochen hatte,
die Ausführungen des Redners von der Linken nicht zu widerlegen,
trat er doch in eine genaue Erörterung ein. Er begann mit einer
vollständigen Auseinandersetzung mit den Gründen seines Gegners,
tat es mit einer Unparteilichkeit, die eine ungeheuere Wirkung
machte, gleichsam geringschätzig gegen alle diese Gründe und
bereit, sie mit einem Hauche wegzublasen. Dann schien er ganz zu
vergessen, sie zu bekämpfen; er antwortete auf keinen dieser
Gründe; er warf sich auf den schwächsten unter ihnen mit einer
unerhörten Heftigkeit, mit einer Flut von Worten, in denen dieser
Grund unterging. Man klatschte Beifall, er triumphierte. Sein großer Körper füllte die Tribüne
aus. Seine Schultern folgten in ihrem Wiegen dem Schweben seiner
Sätze. Er besaß eine alltägliche, fehlerhafte, von Rechtsfragen
starrende Beredsamkeit; er blies die Gemeinplätze auf und ließ sie
als Donnerschläge platzen. Er grollte und drohte mit nichtssagenden
Worten. Seine einzige rednerische Überlegenheit bestand in seinem
Atem, einem unermeßlichen, unermüdlichen Atem, der stundenlang
prächtig dahinfloß, unbekümmert darum, was er trug.
    Nachdem Rougon eine Stunde ohne Unterbrechung gesprochen, trank
er einen Schluck Zuckerwasser und holte ein wenig Atem, während er
die vor ihm liegenden Notizen ordnete.
    »Ruhen Sie aus!« sagten mehrere Abgeordnete.
    Doch er fühlte keine Ermüdung und wollte schließen.
    »Was verlangt man von Ihnen, meine Herren?«
    »Hört! hört!«
    Tiefe Stille trat wieder ein, und alle Gesichter wandten sich in
stummer Aufmerksamkeit zu ihm. Bei gewissen Ausbrüchen seiner
Stimme ging eine Bewegung durch die Kaminer, als fege ein Wind über
die Versammlung hin.
    »Man verlangt von Ihnen, meine Herren, daß Sie das Gesetz über
die allgemeine Sicherheit abschaffen sollen. Ich will nicht an die
für immer fluchwürdige Stunde erinnern, da dieses Gesetz eine
notwendige Waffe gewesen; es galt das Land zu beruhigen, Frankreich
vor einem neuen Zusammenbruch zu retten. Heute steckt die Waffe in
der Scheide. Die Regierung, die sich ihrer stets mit der größten
Klugheit, ja, mit der größten Mäßigung bedient hat … «
    »Das ist wahr!«
    »… sie wendet sie nur mehr in gewissen Ausnahmsfällen an. Das
Gesetz bedroht niemanden mehr, höchstens die Widersacher, die noch
die sträfliche Torheit nähren, zu den
schlimmsten Tagen unserer Geschichte zurückzukehren. Besuchen Sie
unsere Städte, unsere Dörfer. Sie werden überall den Frieden und
Wohlstand finden; fragen Sie die Männer der Ordnung: Keiner fühlt
auf seinen Schultern die Last jener Ausnahmegesetze, die man uns
als ein großes Verbrechen anrechnet. Ich wiederhole es: in den
Händen der Regierung schützen sie nach wie vor die Gesellschaft
gegen abscheuliche Anschläge, die übrigens künftig unmöglich von
Erfolg sein können. Die ehrlichen Leute haben keinen Grund, sich
wegen dieser Gesetze Sorgen zu machen. Lassen wir sie ruhen, wo sie
sind, bis zu dem Tage, da der Herrscher selbst sie abzuschaffen für
gut finden wird … Was verlangt man weiter von Ihnen, meine
Herren? Die Befreiung der Wahlen von jedem Zwang, die Freiheit der
Presse, alle erdenklichen Freiheiten. Ach, lassen Sie mich hier
verweilen im Anblick all der großen Dinge, die das Kaiserreich
bereits vollbracht hat. Rings um mich her, wohin ich auch meine
Augen wende, sehe ich die öffentlichen Freiheiten wachsen und
herrliche Früchte tragen. Ich bin tief bewegt, Frankreich, das so
erniedrigt gewesen, erhebt sich, bietet der Welt das Beispiel eines
Volkes, das seine Befreiung durch seine gute Aufführung erringt.
Die Tage der Prüfung sind nunmehr vorüber. Es ist keine Rede mehr
von einer Diktatur, von einer Willkürherrschaft. Wir alle sind
Arbeiter der Freiheit … «
    »Bravo! Bravo!«
    »Man verlangt die Befreiung der Wahlen von jedem Zwange. Ist das
allgemeine Stimmrecht, auf der breitesten Grundlage angewendet,
nicht die erste Daseinsbedingung des Kaiserreiches? Allerdings
empfiehlt die Regierung ihre Kandidaten. Aber unterstützt nicht
auch die

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