Selbst ist der Mensch
stehen. Wenn diese Galaxien gut organisiert sind und harmonisch zusammenarbeiten, schreibt ihr Eigentümer Gedichte. Wenn nicht, ist Irrsinn die Folge.
An der Schnittstelle zwischen Gehirn und Welt
An der Grenze zwischen dem Gehirn und seiner Umwelt befinden sich zweierlei neuronale Strukturen. Die einen weisen nach innen , die anderen nach außen . Die neuronalen Strukturen des ersten Typs bestehen aus den Sinnesrezeptoren an der Körperperipherie – der Netzhaut, der Schnecke im Innenohr, den Nervenenden in unserer Haut und so weiter. Diese Rezeptoren nehmen keine Neuronenfortsätze von außen auf – zumindest nicht von Natur aus; dies ändert sich allerdings heute durch neuronenähnliche elektrische Impulse von implantierten Prothesen. Stattdessen erhalten sie physikalische Reize – Licht, Schallwellen, mechanischen Kontakt. Die Sinnesrezeptoren setzen eine Signalkette von der Außenseite des Körpers zum Inneren des Gehirns in Gang; diese verläuft über eine Hierarchie aus zahlreichen Neuronenschaltkreisen, die bis tief in die Gehirnregionen vordringen. Dabei bewegen sich die Signale aber nicht nur aufwärts wie das Wasser in einem Rohrleitungssystem, sondern sie werden an jeder Zwischenstation auch verarbeitet und umgewandelt. Außerdem senden sie häufig auch Signale in umgekehrter Richtung an die Stellen, an denen die nach innen gerichtete Kette ihren Ursprung genommen hat. Diese bisher zu wenig untersuchten Merkmale der Gehirnarchitektur sind wahrscheinlich für bestimmte Aspekte des Bewusstseins von großer Bedeutung.
Die Grenzstationen des zweiten Typs findet man da, wo die nach außen gerichteten Fortsätze des Gehirns enden und die Umwelt beginnt. Deren Signalketten haben ihren Ursprung im Gehirn und enden entweder mit der Freisetzung chemischer Substanzen in die Atmosphäre oder mit der Verbindung zu Muskelfasern im Körper. Letztere versetzen uns in die Lage, uns zu bewegen und zu sprechen, und dort enden die wichtigsten nach außen gerichteten Ketten. Von den Muskelfasern geht die unmittelbare räumliche Bewegung aus. In früheren Evolutionsstadien spielte die Ausschüttung chemischer Substanzen an der Außengrenze – Membran oder Haut – für das Leben der Organismen eine wichtige Rolle. Sie war ein bedeutsames Handlungsinstrument. Beim Menschen ist diese Facette bisher zu wenig untersucht, dass Pheromone ausgeschüttet werden, ist aber unumstritten.
Man kann sich das Gehirn als nach und nach immer weiter verfeinerte Form eines anfangs sehr einfachen Reflexbogens vorstellen: Das Neuron NEU nimmt das Objekt OB war und sendet ein Signal an das Neuron ZADIG, das einen Fortsatz zur Muskelfaser MUSK entsendet und eine Bewegung verursacht. In einem späteren Evolutionsstadium kam ein weiteres Neuron in den Reflexkreis zwischen NEU und ZADIG: ein Interneuron , das wir als INT bezeichnen wollen, 17 verhält sich so, dass die Reaktion des Neurons ZADIGNICHT mehr automatisch erfolgt. Das Neuron ZADIG reagiert beispielsweise nur dann, wenn das Neuron NEU aus allen Rohren feuert, nicht aber, wenn es ein schwächeres Signal empfängt. Ein wichtiger Teil der Entscheidung bleibt damit in den Händen des Interneurons 17 .
Ein wichtiger Aspekt in der Evolution des Gehirns war das Einfügen von Entsprechungen zu Interneuronen auf allen Ebenen der Gehirnschaltkreise – und zwar sogar jede Menge solcher Entsprechungen. Die größten findet man in der Großhirnrinde, und man kann sie durchaus als Interregionen bezeichnen. Sie liegen zwischen anderen Regionen und erfüllen den nützlichen, nahe liegenden Zweck, einfache Reaktionen auf vielfältige Reize abzuwandeln, so dass die Reaktionen weniger einfach sind und weniger automatisch erfolgen.
Auf dem Weg zu solchen immer raffinierteren, höher entwickelten Abwandlungen entstanden im Gehirn Systeme, die Reize in allen Einzelheiten kartieren können; daraus erwuchsen als letzte Folge schließlich Bilder und Geist. Am Ende fügte das Gehirn zum Geist noch einen Selbst-Prozess hinzu, womit die Schaffung neuer Reaktionen möglich wurde. Als sich viele Exemplare eines solchen bewussten Geistes beim Menschen schließlich in Kollektiven ähnlicher Lebewesen organisierten, wurde die Schaffung von Kulturen einschließlich der zugehörigen äußeren Hervorbringungen möglich. Die Kulturen wirkten ihrerseits im Laufe der Generationen auf die Tätigkeit der Gehirne zurück und nahmen schließlich Einfluss auf die Gehirnevolution.
Das Gehirn ist ein System aus
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