Selbst ist der Mensch
Verbindung mit Befunden aus der Neurowissenschaft unterlegt wird.
Manch einer stellt die Notwendigkeit einer zusätzlichen Sichtweise, mit der man geistige Ereignisse sinnvoll interpretieren könnte, vielleicht infrage. Es gibt dafür aber eine gute Rechtfertigung. Die Tatsache, dass geistige Vorgänge mit Vorgängen im Gehirn in direkter Beziehung stehen – was von niemandem bestritten wird – und dass Letztere innerhalb des Gehirns ablaufen und der unmittelbaren Messung nicht zugänglich sind, rechtfertigt eine besondere Herangehensweise. Da die Vorgänge in Geist und Gehirn außerdem mit Sicherheit das Produkt einer langen biologischen Evolution sind, ist es auch sinnvoll, Befunde der Evolutionsforschung in ihre Betrachtung einfließen zu lassen. Und da die Vorgänge in Geist und Gehirn möglicherweise die komplexesten Phänomene in der Natur sind, sollte man die Notwendigkeit einer besonderen Betrachtungsweise nicht für ungewöhnlich halten.
Selbst wenn der Neurowissenschaft eines Tages wesentlich leistungsfähigere Verfahren zur Verfügung stehen als heute, werden wir wahrscheinlich das ganze Spektrum der neuronalen Phänomene, die sich auch nur mit einem einfachen Geisteszustand verbinden, nie vollständig erfassen können. Vorerst ist es möglich und notwendig, uns dem Phänomen mithilfe neuer empirischer Befunde allmählich theoretisch anzunähern.
Die hypothetische Äquivalenz von Geistigem und Neuronalem anzuerkennen, ist besonders im Zusammenhang mit den drängenden Problemen der abwärts gerichteten Kausalität nützlich. Geistige Zustände üben ihren Einfluss auf das Verhalten aus – das zeigt sich ohne Weiteres an allen möglichen Tätigkeiten, die vom Nervensystem und den von ihm gesteuerten Muskeln ausgeführt werden. Das Problem – oder manch einer wird auch sagen: das Geheimnis – liegt in der Frage, wie ein Phänomen, das als nichtphysikalisch betrachtet wird – nämlich der Geist –, seinen Einfluss auf das ganz und gar physische Nervensystem ausüben kann, das uns in Bewegung setzt. Betrachtet man geistige und neuronale Zustände als zwei Seiten derselben Medaille – als einen weiteren Janus, der uns hinters Licht führen will – stellt die abwärts gerichtete Kausalität eigentlich kaum noch ein Problem dar.
Lehnt man andererseits die Äquivalenz von Geist und Gehirn ab, muss man eine problematische Annahme machen: Danach wäre die Vorstellung, dass die Neuronen eine Kartierung der Dinge vornehmen und dass es sich bei dieser Kartierung um voll ausgeprägte geistige Vorgänge handelt, irgendwie weniger natürlich und plausibel als der Gedanke, dass andere Zellen im Organismus beispielsweise die Form der Körperteile bilden oder körperliche Tätigkeiten ausführen. Wenn Zellen im übrigen Körper in einer bestimmten räumlichen Anordnung zueinander stehen und sich dabei nach einem Plan richten, stellen sie ein Objekt dar.
Ein gutes Beispiel ist die Hand. Sie besteht aus Knochen, Muskeln, Sehnen, Bindegewebe, einem Netzwerk aus Blutgefäßen und einem weiteren aus Nervenbahnen, außerdem aus mehreren Hautschichten, die alle nach einem bestimmten Muster an ihrem Platz stehen. Bewegt sich ein solches biologisches Objekt im Raum, führt es eine Tätigkeit aus, beispielsweise wenn Ihre Hand auf mich zeigt. Objekt und Tätigkeit sind physikalische Ereignisse in Raum und Zeit. Wenn die in einer zweidimensionalen Schicht angeordneten Neuronen je nach dem Input, den sie erhalten, aktiv oder inaktiv sind, schaffen sie ein Muster. Entspricht dieses Muster einem Objekt oder einer Tätigkeit, stellt es eine Karte von etwas anderem dar, nämlich eine Karte von diesem Objekt oder dieser Tätigkeit. Da aber das Muster auf der Tätigkeit physischer Zellen beruht, ist es ebenso physisch wie die Objekte oder Tätigkeiten, denen es entspricht. Das Muster wird vorübergehend im Gehirn gezeichnet , in das Gehirn durch dessen Aktivität eingeprägt . Warum sollten Schaltkreise aus Gehirnzellen nicht eine Art bildhafte Entsprechung zu Dingen schaffen, wenn diese Zellen richtig verdrahtet sind, so funktionieren, wie sie funktionieren sollen, und im rechten Moment aktiv werden? Warum sollten die daraus erwachsenden vorübergehenden Aktivitätsmuster weniger physikalisch sein als die ursprünglichen Objekte und Tätigkeiten?
Anmerkungen
Dank
Von Architekten hört man manchmal, Gott habe die Natur geschaffen und Architekten hätten den Rest erledigt. Das erinnert uns daran, dass Orte und Räume, ob
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