Sensation in der Manege
auf dem Feld und im Stall geholfen, wenn meine drei Alten und ich keine Arbeit hatten. Das ist nicht oft passiert; bis jetzt sind wir immer ganz gut durchgekommen. Aber eines Tages sehnt man sich doch danach, seßhaft zu werden.“
Zottel nickte verständnisvoll und nahm sich den zweiten Apfel.
„Freut mich, daß es dir schmeckt“, brummte der Indianer vergnügt. „Boskop, schön würzig, meine Lieblingssorte, nimm dir nur!“
Zottel zierte sich nicht und fischte den dritten Apfel aus dem Korb. Dann entdeckte er noch etwas anderes.
„Ach ja, das ist der Zucker für meinen Kaffee, aber der ist nicht gut für deine Zähne“, wehrte der Indianer ab.
Zottel war nicht dieser Ansicht und begann die Packung mit den Zähnen aufzureißen.
„Tut mir leid, mein Junge.“ Der Indianer klappte den Korbdeckel zu und klopfte Zottel tröstend den Hals. „Jetzt müssen wir auspacken. An die Arbeit. Du kannst den Futtersack nehmen.“
Während der Indianer Zottel den Hafersack auf den Rücken packte und begann, seine Habseligkeiten in die Wohnung hinüberzuschaffen, hatte Bille Black Arrow gesattelt und war in die Reitbahn hinübergegangen.
„Du rätst nicht, was inzwischen passiert ist!“ rief sie Simon zu, der seine Stute Pünktchen in ruhigem Trab an der Longe laufen ließ. „Eine Sensation!“
„Das ist vielleicht eine Begrüßung. Komm sofort her!“ befahl Simon in gespielter Entrüstung und ließ Pünktchen anhalten. „Du hast mir heute noch nicht guten Morgen gesagt!“
„Aber jetzt ist doch Nachmittag...“
„Um so schlimmer. Schäm dich!“
Bille trat zu Simon heran.
„Also schön, ich schäme mich aus tiefster Seele. Guten Morgen, großer Meister!“ lispelte sie geziert und machte einen übertriebenen Knicks.
„So ist es recht, mein Kind“, sagte Simon gönnerhaft. „Du darfst mich küssen.“
„Unverschämt bist du gar nicht, wie?“ gab Bille lachend zur Antwort und ließ sich von ihm in die Arme nehmen.
Simon hatte kaum ihre Lippen berührt, da quiekte Pünktchen auf und keilte empört aus. Black Arrow war ihr ihrer Meinung nach zu nahe gekommen, als er Anstalten machte, sie zu begrüßen. Der Rappwallach wich erschrocken zurück und riß Bille mit sich. Im Nu saß Bille im Sand.
„Ich meinte eigentlich nicht, daß du mir die Füße küssen solltest!“ Simon zog die Augenbrauen hoch. „Was machst du da unten?“
„Das frage ich mich auch. Hab wohl heute kein Glück mit feurigen Liebhabern“, murmelte Bille und stand kopfschüttelnd auf. „Gehen wir lieber an die Arbeit.“
„Und was ist das für eine Sensation, die du mir versprochen hast?“
„Richtig, das hätte ich beinahe vergessen! Es scheint, als hätten wir einen Spitzen-Pferdepfleger für den Schulstall bekommen. Er heißt Johnny, kommt vom Zirkus und hat drei alte Pferde mitgebracht.“
„Und warum glaubst du, daß er so gut ist?“
„Sieh ihn dir an, dann weißt du’s sofort. Übrigens hast du gleich nachher Gelegenheit, ihn kennenzulernen — wir geben nämlich eine Begrüßungsparty für ihn!“
„Da bin ich gespannt.“
In der Tiedjenschen Küche ging es inzwischen drunter und drüber. Zum Glück hatte Frau Engelke, die Haushälterin, übers Wochenende frei und mußte nicht mit ansehen, wie Tom und Bettina ihr sorgsam gehütetes Reich in kürzester Zeit in ein Schlachtfeld verwandelten. In der Tiefkühltruhe hatten sie eine Apfeltorte und drei Dutzend Krapfen gefunden, die nun im Backofen auftauten.
„Das bißchen Kuchen reicht doch nie!“ sagte Tom. „Wenn erst die Internatsschüler alle antanzen, um zu sehen, was da gefeiert wird... Nein, weißt du was — wir machen Schnittchen! Einen ganzen Tisch voller bunter Häppchen. Vorräte haben wir genug, und Brot hat Engelchen gestern auch für die ganze Woche eingekauft. Warte, was brauchen wir alles: Wurst, Käse, Schinken... Harte Eier natürlich, Sardellen, Gürkchen, Mixed Pickles, Tomaten, Radieschen, Mayonnaise, Ketchup...“
„Du lieber Himmel, Tom, wie sollen wir das in der kurzen Zeit schaffen?“
„Das ist überhaupt kein Problem, Schätzchen!“ beruhigte Tom seine Freundin. „Reg dich nicht auf, ich mach das schon, ich bin ein Meister in bunten Häppchen! Du kümmerst dich um das Geschirr und die Getränke, alles andere überläßt du mir, okay? Da oben auf dem Schrank im Karton muß noch massenhaft Partygeschirr sein.“
Bettina machte sich an die Arbeit, und Tom begann, was er für sein künstlerisches Werk brauchte, vor sich auf
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