Sensation in der Manege
Körbers Stimme tat Mini weh. „Ich denke, du liebst Luzifer? Du bist wirklich nicht recht gescheit, Mini!? Wenn du dein Pferd liebst, wie kannst du dann etwas tun, was ihm schadet?“
„Oh..., dieses kleine bißchen Keks“, verteidigte sich Mini. „Nur heute, weil Sonntag ist! Ich gebe ihm sonst nie etwas, ehrlich, Frau Körber! Außerdem..., er ist doch schon so schrecklich dünn geworden... „
Frau Körber mußte lachen.
„Von dünn kann wirklich keine Rede sein. Sei vernünftig, Mini. Gib mir die Kekse, ich hebe sie für dich auf. Und du nimmst Luzifer und bringst ihn noch für eine Stunde ins Laufgatter hinaus. Da kann er sich ein bißchen austoben, das wird ihn auf andere Gedanken bringen. Armer Kerl, er tut mir ja selber leid.“
Mini nickte stumm ergeben und übergab Frau Körber die Eiswaffeln. Luzifer schaute enttäuscht hinter ihr her. War das zu fassen? Erst kam sie mit einer Hand voller Kekse hier herein, dann bekam er lächerliche zwei davon — und den Rest nahm sie wieder mit!
Während Mini Luzifer aus der Box holte und die Stallgasse hinuntertrottete, bog draußen Simons Ente um die Ecke und hielt mit quietschenden Reifen vor dem hinteren Eingang, der direkt zum Unterrichtsraum führte. Tom wand sich vom Fahrersitz, was bei seiner Länge einiger schlangenartiger Bewegungen bedurfte, und begann die Kartons mit Geschirr, Bestecken und Papierservietten auszuladen. Zuletzt hob er das Kuchenblech mit dem Apfelkuchen und den Krapfen aus dem Wagen und stellte es auf den Turm aus Kartons.
„Verdammt, natürlich wieder abgeschlossen!“ murmelte Tom. „Na ja, ich muß weitermachen — soll sich Bettina drum kümmern!“
Tom schwang sich zurück auf den Fahrersitz und brauste davon. An der Ecke stoppte er kurz.
„He, Mini, kannst du mir einen Gefallen tun? Hol bitte den Schlüssel von der Hintertür, da sind ein paar Sachen in den Unterrichtsraum zu bringen. Hab sie draußen neben dem Gatter abgestellt.“
„Okay, sofort.“
Mini schob das Tor des Laufgatters zur Seite und forderte Luzifer mit einem freundlichen Klaps auf, einzutreten. Sie schloß das Gatter sorgfältig hinter ihm, dann ging sie in den Stall zurück, um den Schlüssel zu suchen.
Luzifer machte ein paar Bocksprünge, buckelte ausgiebig, dann legte er sich in den Sand, um sich erst einmal gründlich zu wälzen. Während er so genießerisch von einer Seite auf die andere rollte, streifte ein süßlich-warmer Duft seine Nüstern. Luzifer hielt so plötzlich in der Bewegung inne, daß er aussah wie ein umgestürztes Kriegerdenkmal. Er schnupperte einmal, zweimal — der Duft verstärkte sich. Ein Duft von etwas, das er seit Wochen schmerzlich vermißte.
Der Wallach stand vorsichtig auf, als könne er die verlockende Fährte, die ihn zur Quelle dieses Duftes führen sollte, unterwegs verlieren. Er schüttelte sich kurz den Sand aus dem Fell und reckte mit weit geblähten Nüstern den Hals. Kein Zweifel, da war sie wieder: die süß duftende Fährte führte in die Ecke des Gatters, die an den Hintereingang zum Stall grenzte! Luzifer trabte, wie von unsichtbaren Flügeln getragen, dem Geruch entgegen, der so süße Erinnerungen in ihm weckte. Zuckermandeln, Honigbonbons, in Kinderhänden aufgeweichte Schokolade und Berge von marmeladegefüllten Keksen. Pralinen mit Marzipan gefüllt hatte er besonders geliebt, und dann diese Makronentörtchen, knusprig und süß.
Ja, da war sie, die Quelle längst vergangener Freuden! Ausgebreitet auf einer großen Platte, direkt vor seinen Augen, nur durch die Stangen des Laufgatters von ihm getrennt — und die stellten wahrhaftig kein Hindernis für ihn dar.
Luzifer legte den Kopf schief und schob ihn zwischen den obersten Holzstangen hindurch. Mit spitzen Lippen angelte er nach einem der Krapfen. Dabei drückte er ein wenig auf das Backblech, das kippte, und der Apfelkuchen rutschte ihm entgegen. Sacht landete das Backblech im Sand, und ein Krapfen nach dem anderen kollerte Luzifer vor die Hufe. So mühelos war ihm ein Schlemmermahl schon lange nicht mehr zugefallen! In aller Ruhe vertilgte er erst den Apfelkuchen, dann Krapfen auf Krapfen...
Mini hatte inzwischen ein Dutzend Leute nach dem Schlüssel zur Hintertür gefragt. Schließlich landete sie bei Nico, die gerade mit Florian von ihrem Ausritt zurückkam.
„Den Schlüssel zur Hintertür? Den hat bestimmt Herr Toellmann in der Hosentasche. Hat er doch meistens. Macht nichts, wir tragen die Sachen eben durch den Stall rein“, meinte
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