Sensation in der Manege
Es ist Stehtag für die Schulpferde, nur die Privatpferde werden hin und wieder zu einem Geländeritt rausgeholt. Wenn du die Schulreithalle schon bewundert hast, dann hast du ja auch unseren Außenreitplatz schon gesehen. Er ist erst kürzlich fertig geworden“, erzählte Bille. „Ein Werk der Schüler — vor allem die Hindernisse.“
„Hm“, brummte der Indianer, als habe er nur halb zugehört. Sein Blick wanderte an den Stämmen der alten Eichen und Buchen hinauf bis in die buntbelaubten Wipfel.
„Schön. Schön sind sie.“
„Nicht wahr? Sie schließen den Park und das Schloß wie eine Mauer ein, als wollten sie es beschützen.“
„Ich liebe Bäume, die eine lange Lebensgeschichte haben“, sagte der Indianer. „Ich höre gern Lebensgeschichten.“
„Sag nur, du kannst mit Bäumen reden!“ Bille schaute ihn amüsiert von der Seite an.
„Vielleicht...“
„Nun, diese hier könnten dir bestimmt viel erzählen. Komm, wir nehmen die Abkürzung durch den Park zum alten Stall hinüber. Jetzt möchte ich dir nämlich meine Schützlinge vorstellen.“
Bille lief dem Indianer voraus und bog in einen schmalen Pfad ein, der nach wenigen Metern in eine breite Allee mündete.
„Dies ist sozusagen ein historischer Ort“, erklärte Bille lächelnd. „Hier habe ich nämlich meine erste Reitstunde von Herrn Tiedjen bekommen.“ Bille wies nach links. „Von hier aus hast du den schönsten Blick auf unser altes Gutshaus. Sieht es nicht prächtig aus, mit den Erkern an beiden Seiten und der großen Terrasse?“
„Ein richtiges Schloß“, sagte der Indianer, aber sein Gesichtsausdruck verriet, daß ihn das imponierende Gebäude, das sich da strahlend weiß am Ende des herbstbunten Parks erhob, nur wenig interessierte. Ihn zog es allein zu den Pferden.
„Da drüben siehst du die alte Reithalle“, erklärte Bille. „Dort werden unsere Turnierpferde trainiert. Dahinter die Wirtschaftsgebäude, Ställe, Scheunen und Speicher, die zum landwirtschaftlichen Betrieb gehören. Und hier rechts — unser Pferdestall!“
Billes Stimme bekam unwillkürlich einen feierlichen Klang. Sie öffnete die erste Tür und ließ den Indianer eintreten.
„Darf ich vorstellen: Feodora, unser Star. Du kennst sie sicher aus Fernsehübertragungen großer Turniere. Nach Daddys Unfall wird sie von Simon Henrich geritten, wie du weißt. Simon ist so was wie ein Meisterschüler Hans Tiedjens. Wir... wir sind sehr befreundet, Simon und ich“, fügte sie hinzu und wandte sich schnell ab, weil sie spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg. „Dies hier ist Nathan, ebenfalls ein großer Turniersieger. Der gnädige Herr geruht gerade, seinen Mittagsschlaf zu halten.“
Die Schritte des Indianers waren kaum zu hören, so leise trat er auf, um die Mittagsruhe im Stall nicht zu stören. Hatte er drüben im Schulstall jedes Pferd einer gründlichen Prüfung unterzogen, so benahm er sich hier wie bei einem Museumsbesuch. Zärtliche Bewunderung lag in seinem Blick, als die schöne Schwarzschimmelstute sich ihm zuwandte und ihn aufmerksam betrachtete. Bille war es, als sprächen die beiden lautlos miteinander. Nathan nickte er zu, als wolle er sagen: bleib liegen, mein Junge, nur keine Umstände, wir können uns ein andermal unterhalten.
„Der freche Fuchs hier ist Troilus , ein Sohn von Troja. Die wirst du auch gleich kennenlernen. Troilus wird von Tom geritten. Tiedjen junior. Mein großer Bruder, wenn du so willst. Der Rappe hier gehört mir. Black Arrow. Wir zwei haben uns schon ein paar Schleifen verdient.“
Bille trat in die Box und legte ihrem Liebling stolz die Arme um den Hals. Black Arrow begann sofort ihre Taschen zu untersuchen.
„Das hat er von Zottel gelernt, die beiden sind unzertrennlich.“
„Ein prachtvoller Kerl!“ lobte der Indianer und betrachtete den blauschwarzen Wallach eingehend. „Viel Kraft und dabei gutmütig und intelligent. Scheint genau das richtige Pferd für dich zu sein.“
Bille freute sich über das Lob. Der Indianer schien die Eigenschaften eines Pferdes wie mit unsichtbaren Antennen wahrzunehmen. Es war, als durchschaute er sie bis ins Innerste ihres Wesens, und Bille vermutete, daß er nicht nur mit Bäumen, sondern vor allem auch mit Pferden reden könne. Wie gut, daß ein solcher Mann als Pferdepfleger nach Groß-Willmsdorf gekommen war!
„Dein Kollege hier im alten Pferdestall ist Herr Petersen, und Hubert, unser Stallpfleger, steht ihm zur Seite. Ihr werdet euch später
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