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Sepp und seine Bande

Sepp und seine Bande

Titel: Sepp und seine Bande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Hoefling
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zwischen Lenkstange und Sattel. Einige hatten auch die Beine in die Hand genommen und wetzten wie eine Meute jagdlüsterner Hunde hinter den Reitern her, keuchend und mit heraushängender Zunge.
    Wie in allem, was mit Körperkraft zusammenhing — so wollte der dicke Willem auch bei diesem Rennen der Erste sein — aber er fuhr nicht als Sieger ins städtische Sportfeld ein: er kam überhaupt nicht dort an! Denn als er an der Spitze des Rudels, buckelnd wie eine Katze und so mit sechzig Sachen in die Kurve ging, um in die Schubertstraße einzubiegen — da — da geschah es! Wegen der hohen Geschwindigkeit konnte er die Biegung nicht eng nehmen, sondern mußte weit ausholen und geriet dabei auf die linke Straßenseite.
    Wohl klingelte er wie wild, weil er an den Gegenverkehr dachte, mit dem man selbst in einer so ruhigen Straße wie der Schubertstraße rechnen mußte, doch er hoffte — da sein Ehrgeiz größer war als seine Vorsicht — freie Fahrt zu haben. Die Fahrradklingel schrillte und scheuchte die Spatzen auf, die auf Fahrbahn und Gehsteig nach Körnern und Krümeln pickten — aber den schweren gelben Lastwagen, der mit Kästen voll Bier- und Limonadenflaschen hochbeladen war, trieb das Geklingel nicht fort. Er brauste unbeirrt heran, wuchtig und kraftstrotzend — da kreischten jäh die Bremsen, und die Reifen quietschten: erst die von Willems Fahrrad in hohen Tönen, dann tiefer die vom Lastwagen.
    Aber der Bremsweg war zu lang. Willems Hinterrad schleuderte — und schon prallte er gegen die vordere Stoßstange des Wagens und schoß im Kopfsprung über den Lenker auf den Kühler. Im nächsten Augenblick lag er neben dem rechten Vorderrad des Lastwagens, halb in der Straßenrinne, halb auf dem Gehsteig.
    Im dicht aufgeschlossenen Verfolgerfeld quietschten gleich darauf ebenfalls die Bremsen, und das Rudel, das gerade noch so stolz dahergejagt war, verwirrte sich in einem Knäuel von Rädern und Jungen. Statt auf dem Sattel zu sitzen, lagen jetzt die meisten auf der Straße und beschimpften sich gegenseitig, weil natürlich der eine den anderen behindert hatte. Doch außer ein paar Schrammen am Blech und auf der Haut hatte dieser Massensturz keine weiteren Folgen.
    Anders dagegen sah es mit dem dicken Willem aus. Er stand nicht von selbst wieder auf wie seine Kameraden. Nein, er blieb liegen, wo es ihn hingeschleudert hatte, stöhnte und kämpfte gegen die Tränen.
    So fand ihn Sepp vor, der sofort kehrtgemacht hatte, als er unterwegs die Bremsen hatte quietschen hören. Der Lastwagenfahrer war bereits aus dem Führerhaus gesprungen und kniete neben dem dicken Willem.
    Bleich und verstört sah der Mann aus. Kein Wunder, wenn man nur an den Verkauf von Bier und Limonade denkt und plötzlich vorn am Kühler so ein Lauser hängt, der Kartoffeln im Kopf hat statt Augen!
     
    Bei jedem Zusammenstoß gibt es etwas zu sehen.
    Das sagten sich auch die Leute in der Nachbarschaft, die den Unfallort umringten und sich gegenseitig fragten, wie das Unglück denn eigentlich geschehen war und wer schuld habe. Und wer gerade in der Nähe wohnte und sich nicht die Mühe machen wollte, die vielen Treppen hinunterzusteigen, der hatte das Fenster aufgerissen und lag breitarmig auf der Brüstung, platzend vor Neugier und Schaulust, besonders Frauen.
    Es wurde viel geschwätzt — aber nur wenig Gescheites. Manche schimpften auf den Fahrer, andere auf den Jungen. Und einer hatte es besser gesehen als der andere.
    „Hast du dir was gebrochen, Junge?“ erkundigte sich der Fahrer besorgt.
    „Mein Arm!“ klagte der dicke Willem. „Au, mein Arm, mein Arm!“

    Abwechselnd griff er an den linken Arm und an seinen Kopf, stöhnte und jammerte weiter:
    „Ich — ich glaube, ich habe den Kopf gebrochen oder — oder den Arm.“
    „Kannst du aufstehn?“
    „Ich — ich weiß nicht.“
    „Du mußt zum Arzt, Willem!“ sagte Sepp, als er sah, wie schwer es dem Verunglückten fiel, sich zu erheben, obwohl ihn der Fahrer unter den Achseln stützte.
    „Quatsch, ich brauche keinen Arzt!“
    „Doch, ich geh’ einen holen.“
    „Nein, nein, ich brauche keinen Arzt!“ schrie der dicke Willem trotz seiner Schmerzen, die einen Augenblick lang von Wut übertroffen wurden.
    Wenn noch ein Arzt dazukommt, dann fehlt nur noch die Polizei — und aus einem harmlosen kleinen Zusammenstoß ist im Nu ein schwerer Verkehrsunfall geworden, ging es Willem durch den schmerzenden Kopf. Und morgen können es dann alle in der Zeitung lesen...
    Wer

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