Im Bann des Daemons
Im Bann des Dämons
„Uff!“ Mit einem erleichterten Seufzer stellte Jill die schwere Kiste, die sie soeben zu einem Schnäppchenpreis auf dem Trödelmarkt erworben hatte, auf den Boden. Sie wischte sich den Staub von den Händen und betrachtete voller Vorfreude den Karton, der randvoll mit Büchern gefüllt war. Die junge Frau spürte bereits das aufgeregte Kribbeln, das sie jedes Mal überkam, wenn sie ein neues Buch in die Hand nahm. Um die Spannung noch ein wenig in die Länge zu ziehen, holte Jill sich einen Tee aus der kleinen Küche, die neben dem Schlafzimmer und einem winzigen Bad ihre Wohnung vervollständigte. Dann hockte sie sich vor die Kiste, nahm einen Schluck aus ihrer dampfenden Tasse und öffnete den Karton.
Das erste Buch war eine alte Ausgabe von „Notre-Dame de Paris“, darunter kamen „Désirée“ und anschließend eine abgegriffene Taschenbuchausgabe von „Harry Potter und der Stein der Weisen“ zum Vorschein. Es war eine wirklich bunte Mischung, die sie da erworben hatte, und die meisten Bücher hatte sie bereits gelesen. Aber das machte nichts. Sie studierte Literaturwissenschaften und träumte davon, eines Tages einen eigenen Buchladen zu eröffnen.
Jill strich sich eine Strähne ihres dunkelblonden Haares aus den Augen, die sich aus dem Pferdeschwanz gelöst hatte, und nahm das nächste Buch heraus. Es schien alt zu sein, sehr alt. Interessiert sah die junge Frau es sich genauer an. Auf dem Buchdeckel standen weder Titel noch Autor. Nur das Bild einer Monsterfratze prangte darauf - unerwartet klar und farbenfroh. Es passte gar nicht zu dem ansonsten schon verblassten Einband. Neugierig drehte sie das Buch um und las den Klappentext.
Vernichte dieses Buch!
stand da in verschnörkelter Schrift geschrieben.
Versenke es im tiefsten Ozean oder verbrenne es im glühenden Feuer, vergrabe es unter der Erde oder verstecke es in der abgeschiedensten Ecke der Welt. Nur lies es nicht! Denn es ist verflucht. Und verflucht wird jeder sein, der es aufschlägt.
„Faszinierend“, flüsterte Jill hingerissen. Sie schnappte das Buch und ihren Tee und machte es sich in ihrem Lieblingssessel gemütlich. Dann schlug sie die erste Seite auf und fing an zu lesen.
Schon nach wenigen Sätzen war sie völlig gefesselt, die Geschichte war wirklich gut und so unglaublich realistisch geschrieben, dass sie der jungen Frau Schauer über den Rücken jagte. Das Buch handelte von einem bösen Dämon, der sein Unwesen auf der Erde trieb, die Menschen quälte, folterte und versklavte. Bis eines Tages eine weiße Hexe den Kampf mit ihm aufnahm.
Der Dämon und die Hexe waren einander in ihren Kräften ebenbürtig. Ihr Kampf dauerte mehrere Tage und schließlich gewann die Hexe die Oberhand. Doch sie schaffte es nicht, den Dämon endgültig zu vernichten. Stattdessen bannte sie ihn in ein Buch, ein verfluchtes Buch, das sie an einen sicheren Ort brachte, damit es nicht in falsche Hände fiel. Bevor sie es versteckte, schrieb die Hexe jedoch noch eine Warnung darauf, damit niemand unter den Einfluss des Dämons geriet.
Als sie das las, spürte Jill ein leichtes Frösteln. Immerhin stand diese Warnung auch auf dem Buch, das sie gerade in den Händen hielt. Doch dann schüttelte sie entschieden den Kopf. Das war bestimmt nur ein Trick, um dem Leser Angst einzujagen und die Spannung zu steigern.
Als es irgendwann zu dunkel zum Lesen wurde, blickte die junge Frau überrascht hoch. Sie war so in das Buch vertieft gewesen, dass sie alles um sich herum vergessen hatte. Wie aus einem Traum erwachend, schaute sie auf ihre Armbanduhr: 22:05 Uhr. Sie hatte am nächsten Morgen ein wichtiges Seminar. Jill haderte kurz mit sich selbst, doch sie konnte jetzt einfach nicht aufhören. Sie musste erfahren, was weiter geschah. Sie hatte erst die Hälfte der Geschichte gelesen.
Obwohl es ihr widerstrebte, das Buch aus der Hand zu legen, erhob sie sich, um das Licht einzuschalten und sich bei der Gelegenheit ein Sandwich zu machen. Erst jetzt bemerkte sie überrascht, wie hungrig sie eigentlich war. Mit einem großen Stück Brot mit Käse und einem Apfel ausgestattet, kehrte sie schließlich zu ihrer Lektüre zurück.
Nun machte die Geschichte einen Sprung von über 250 Jahren und erzählte von einem Mädchen, das beim Spielen in einer großen Baugrube das Buch zufällig fand. Das Kind – Emma – ignorierte die Warnung auf dem Buch und öffnete es. Sie hatte nur die ersten paar Wörter gelesen und dennoch konnte sie
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