September. Fata Morgana
gefälscht wirkenden Kleinkindern hier kam ich an
wenigstens mit allem was ich liebte und meinem besseren erwachsenen Leben zurechnen konnte meiner Vernunft und der Faszination daran dass ich mit Sabrina nun
endgültig
zur Hälfte in Amerika beheimatet war
zu zwei Dritteln vielmehr denn Amanda war damals noch lebendiges Zuhause ihr sehniger Hals der Schweiß zwischen ihren Schlüsselbeinansätzen ihr selbst nach vierstündigen Wehen noch glattes kühl wirkendes silberblondes Haar das frische helle Meer in ihren Augen eine morgendliche See schon immer hatte sie diese maritime Ausstrahlung für mich du denkst unwillkürlich an einen klaren Tag an trockene Salzkristalle frischen Bootslack gewachste Seile poliertes Teakholz gescheuertes Messing weiße Segeltuchschuhe an die Klarheit und Energie einer Küstenregion wie an den Stränden von Cape Cod oder
auf jenem scheußlichen Long Island eben
wir hätten vielleicht am Meer wohnen sollen nicht nur einige Sommerferien im Haus eines Kollegen in Rockport verbringen aber das ist nur ein besserwisserischer Gedanke aus einer schlechteren Zukunft die wie ein zerfledderter Rabe hinabsieht auf Amanda in Jeans und T-Shirt die Fensterrahmen lackierend die Blumentöpfe auf die Porch schleppend Sabrinas Fahrrad über den Rasen schiebend unter ein Sonnensegel zwischen Garage und südlicher Hauswand das sie selbst zugeschnitten und gespannt hat mit Gartenschere und Strohhut zwischen phosphorgelb glühenden Hecken mit einer grünen BBQ-Schürze und Grillzange zwischen meinen Lehrerkollegen perfekt
falsch
in jedem Bild als hätte sie eine penible Künstlerin (Sabrina als Zehnjährige) aus einem der nie publizierten großen Fotokataloge des Lebens geschnitten als fehlte sie plötzlich auf einer Yacht vor Rhode Island in einem Restaurant auf der Upper West Side bei einem Geschäftsessen in der heimatlichen Kulisse von Palo Alto (die schrecklich genauen Schattenrisse ihrer Abwesenheit) als wäre sie aus dem ihr bestimmten Rahmenherausgetrennt und willkürlich oder gar mit einem gewissen Sadismus unter die Laubkronen auf die Holzveranden vor die Sportanlagen und in die Bibliotheken und Unterrichtsräume der überall auf diese Hügel und grünen Täler verstreuten kleinen Highschools montiert um sie
zu prüfen vielleicht
einer jahrelangen selbstquälerischen Prozedur zu unterwerfen an deren Ende sie immerhin herausbekam wofür sie gemacht war (Küste Stadt Gesellschaft Geschäft) sie die mir zugeredet hatte New York City zu verlassen mit unserem noch ungeborenen Kind aus der Überzeugung heraus dass Neuengland das Richtige wäre dass eine Kalifornierin und ein Norddeutscher sich am besten in jenem weißen und grünen roten und goldenen Ur-Amerika der WASPs niederlassen würden in dem die Puritaner landeten die Winchester erfunden Cambridge und Berlin wiedererbaut der Kabeljau und die höheren Rekruten gefangen die besten Denker und Preiselbeeren gezüchtet die Präsidenten und die Ökofreaks gezogen die Hexen verbrannt die ersten großen Romane und schönsten Gedichte des Landes geschrieben worden waren erinnerst du dich an Woodstock
für mich
für Sabrina (vielleicht)
hatte Amanda recht
selbst hier noch im Wald zwischen 17 000 Einwohnern und 30 000 Studenten
BIS JETZT
in meiner Seifenblase noch intakter Gegenwart in der ich hinauslaufe
westwärts
zum Stadion und zu den Sportanlagen der University of Massachusetts um die ich meine zwei Runden drehe bevor ich wieder Frank Morgans Gartenzaun entlanglaufe die weißen hohen Latten in deren jetzt abwärts flackerndem Raster ich die Standbilder meines Lebens sehen könnte oder nur eine
weiße Wand
weiße Landkarte
Blutflecken auf dem weißen Land die vernichteten Indianerstämme die jahrzehntelang attackierten Siedlerdörfer (Sabrina mit acht oder neun Jahren im Heimatmuseum von Deerfield ungläubig vor der schweren Holztür des so genannten Indian House stehend in deren Mitte zahlreicheAxthiebe die unvergessene Narbe des Indianerangriffs von 1704 hinterlassen hatten ein faustgroßes Auge der Rückblick auf
unerbittliche Kämpfe
unerbittliche
Erinnerungen die Tür
in einer Vitrine
kann nicht mehr geöffnet werden) es gibt kein Weiß in der Geschichte es gibt immer nur ein Ausblenden oder Verengen Kaschieren des Blicks durchaus auch beim Tiefergehen Sich-Vertiefen in die relative Unschuld des 18. und frühen 19. Jahrhunderts ich kam auf Goethe als ich Amanda verlor als sie nach New York City zurückging in das ich einmal
Weitere Kostenlose Bücher