September. Fata Morgana
Droge im Irak ist aber weiterhin das teure Valium) die uns
einen alten Freund
auf den wir zwei Stunden vergeblich und immer ängstlicher gewartet haben während die Dämmerung in der Sommerhitze hereinbricht einfach
erfinden lassen
Muna
Samira kam heute Morgen nicht
auch ihr Vater der sie sonst immer zur Straße brachte und mit den Händen in den Hosentaschen verlegen grinsend wartete bis sie in unseren Kleinbus gestiegen war erschien nicht und wir können uns ausmalen weshalb uns das morgendliche Signal des einsamen Muts fehlt denn Samira war immer die Erste die wieder aus dem engen Bus kletterte weil sie an der philologischen Fakultät studierte
studiert! Präsenz!
was denke ich
ihr Institut liegt inmitten einer von Kämpfen verwüsteten Gegend Samira ist unsere
Frau auf dem Mond
jeden Werktagmorgen geht sie würdig und ruhig mit Kopftuch heller Jacke und rockähnlichen weiten Hosen auf eine Autobahnbrücke zu die unmittelbar über einer Baumkrone endet wie ein Stück abgerissener Pappe der Parcours führt durch ein Trümmerfeld von der Größe zweier Fußballplätze an Müll- und Steinhaufen vorbei über verbogene Blechteile und von Unkraut überwachsenen Schutt zu Boden geschleuderte zerbrochene Pfeiler Mauerwerk und Dachziegel die kaum Platz lassen für einen schmalen Pfad durch vage nachgrünende Hecken zu einem schwarzen Bombenkrater neben dem die zerschossene Fassade eines sonst wundersam heil gebliebenen Gebäudes aufleuchtet ihr Institut das an eine Forschungsstation auf einem Planeten ohne Atmosphäre erinnert der hoffnungslos den Meteoriteneinschlägen preisgegeben ist müssen wir
in Samiras Fall
eine neue Märtyrerin begrüßen oder
wieder einmal erfahren dass eine Familie ins Exil ging weil sie unserenblutigen Himmelskörper nicht mehr aushielt egal wir werden Samiras Platz im Kleinbus rasch neu vergeben müssen sechs Familien zahlen teuer für den halbwegs sicheren täglichen Transport ihrer Töchter zur Universität wir haben zwei junge Fahrer die sich gut benehmen aber heute fehlt leider Ali der Bessere und Ruhigere
er ist wohl auch derjenige der das nagelneue Mobiltelefon bedienen kann denn kurz bevor wir aussteigen müssen drückt der nervöse Naji auf einen Knopf woraufhin es sofort klingelt und Samira am anderen Ende der Funkstrecke mitteilt dass sie ihn schon x-mal versuchte zu erreichen und heute Morgen schon früher habe fahren müssen er sie aber wie gewöhnlich abholen solle
ein guter Anfang für einen heißen Sommertag könnte man sagen
vor dem Haupteingang der Universität Studenten und Studentinnen rasch und zielstrebig nebeneinander her und durcheinander gehend
das Gedränge erschien mir einmal aufregender und vielversprechender als alles andere und in einer freien Stunde allein oder mit einer Kommilitonin auf einer Bank auf dem Campusrasen zu sitzen zu schwätzen oder in den Büchern zu blättern kam mir nach dem Krieg so unwahrscheinlich vor als flöge ich jeden Werktag in ein anderes Land angesichts der aus dem Boden um die Universität schießenden Internet- und Telefonläden den neu gestifteten Computern den immer häufiger in den Taschen und Jacken der Studierenden klingelnden und stolz ans Tageslicht beförderten Mobiltelefonen könnte man sich auch schon fast international fühlen obgleich sich immer mehr Frauen (wie ich selbst) mit Kopftüchern und alles verhüllender Kleidung schützen
als SuSchi
mit der Sehnsucht nach dem künftigen Babylon
fühle ich mich unwohl vor den Plakaten und Aufrufen der schiitischen Studentenorganisationen deren Einfluss immer größer wird ich wollte
als Irakerin
studieren nicht als Gläubige dieser oder jener Sorte (auch wenn ich einen verhinderten Hauza-Studenten liebe) ich wollte mithelfen die Erinnerung an Babylon von der ihr aufgezwungenen baathistischen Schlacke zu befreien bei vielen Lehrbüchern reicht es
wenn Sie einfach die letzten zwanzig Seiten herausreißen
hatte Professor Fahmi empfohlen auf den wir heute gespannt wartenmüssen er hatte uns auch gezeigt wie man Saddam auf eine ganz exquisite Weise hatte lächerlich machen können (indem man in Magisterarbeiten oder sogar Promotionen lange und unmotivierte Auszüge aus seinen hohlen Reden unter Zitate international gerühmter Gelehrter und wissenschaftlicher Autoritäten mischte) und dass es immer wieder auch hervorragende und von allem ideologischen Ballast verschonte Lehrwerke gegeben habe die wir auch jetzt noch gut verwenden könnten so etwa das
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