Septemberblut
können wie jetzt.«
»Was soll das heißen?« Sie stemmte ihre Hände in die Hüften.
»Du weißt, dass ich mich durch die Sache mit Brandon gegen meinen Meister aufgelehnt habe. Curtis hat gedroht mich zu bestrafen, für den Raub seines Vampirs und dafür, dass ich mich in Gordons Hand gegeben habe. Bevor ich aufgebrochen bin, habe ich ihm etwas versprochen. Sollte ich den Rettungsversuch überleben, würde ich mich seinem Urteil stellen. Dunkelheit und Hunger erwarten mich.«
»Dunkelheit und Hunger? Was soll das bedeuten?«, fragte sie irritiert.
Ich schluckte. Meine Angst floss durch die Siegel und übertrug sich auf sie. »Das heißt, er sperrt mich in einen Sarg.«
»Für wie lange?«
»Tage,Wochen, mehr. Ich weiß es nicht.«
Sie starrte mich an. Tränen schwammen in ihren Augen. »Und jetzt, wo du gerade wieder gesund bist, hat er es dir befohlen?«
»Nein, das hat er nicht. Er hat es seit meiner Rückkehr nicht mehr erwähnt.«
»Dann geh nicht!«
»Ich stehe zu meinem Wort.«
Sie drehte mir den Rücken zu und schwieg.
Ich berührte sie an der Schulter, doch sie zuckte weg. Ihr Verhalten tat mir weh. »Bitte lass mich nicht so gehen, Amber. Ich will eine schöne Erinnerung an dich.«
Ich betrachtete sie noch einen Augenblick, ihre schlanke Figur mit genau den richtigen Rundungen und ihr welliges Haar, das ein gutes Stück über ihre Schultern fiel. Dann ging ich.
»Julius?«
Ich drehte mich in der Tür um.
Amber stand mit hängenden Armen im Zimmer.
Binnen eines Wimpernschlags war ich bei ihr und presste sie an mich. Wir hielten uns in den Armen, und die Zeit schien ohne uns zu verstreichen.
»Verlass mich jetzt nicht, Julius«, flüsterte Amber gegen meine Brust. »Was soll ich denn machen ohne dich?«
Dann schluckte meine Geliebte ihre Tränen hinunter und sah mich gefasst an. »Du hast keine Wahl, stimmts?«
Ich schüttelte den Kopf. »Ich liebe dich, Amber.«
Wir küssten einander mit wachsender Verzweiflung, und ich versuchte, dieses Gefühl irgendwie für die lange Zeit der Einsamkeit und Dunkelheit zu bewahren. Es war unmöglich, und so schob ich sie nach einer Weile schwer atmend von mir. Es war Zeit zu gehen.
Kapitel54
Der Weg zu Curtis’ Räumen kam mir endlos vor. Wir begegneten Robert auf der Treppe, doch ich grüßte nicht einmal, so sehr musste ich mich konzentrieren, um nicht davonzulaufen vor meiner eigenen Courage.
Amber hielt die ganze Zeit über meine Hand. Vor der Tür sammelte ich mich und klopfte.
Wortlos bat uns Curtis in sein Reich unter der alten Kinobühne. Mein Herz raste und wollte einfach nicht langsamer werden.
Der Meister saß an seinem riesigen Schreibtisch und tippte etwas in den Computer. Er handelte noch immer mit Kunst, wie früher.
Das kalte blaue Licht des Bildschirms war neben einigen Kerzen die einzige Lichtquelle und meißelte seine strengen Züge zu einer Skulptur aus Hell und Dunkel.
Ich ließ Ambers Hand los und trat vor Curtis.
»Ich bin gekommen, um dir etwas wiederzubringen«, sagte ich und legte das Kruzifix seiner Mutter, das ich wohlweislich in ein kleines Stück Stoff gewickelt hatte, neben das Notebook auf den Tisch.
Curtis sah auf, lehnte sich in seinem Stuhl zurück und verschränkte seine sehnigen Arme vor der Brust.
Als ich die nächsten Worte formte, konnte ich meinen Herzschlag auf der Zunge spüren. »Und ich bin gekommen, um meine Strafe zu empfangen.«
Curtis starrte mich an, dann nickte er.
»Gut, dann komm.«
Er erhob sich und wies mir den Weg zum Sarg. Als er stehenblieb, tat ich es auch. »Du hast mir noch etwas zu sagen, denke ich.«
Ichnickte. Wir hatten das Ritual lange vor uns hergeschoben.
Für die Bitte um die Anerkennung meines Ranges sah der Codex keine festen Worte vor, nur Gesten. Ich sank vor meinem Meister in die Knie.
»Nun, Julius, ich höre.« Er sah gütig zu mir hinab.
Ich küsste seinen Puls und begann. »Mein Herr und Schöpfer, lange ist es her, dass du mir das zweite Leben geschenkt hast. Von deinen Worten habe ich gelernt, unter deiner starken Hand bin ich gewachsen. Dir zu Ehren und den Leonhardt zum Schutz will ich meine Kraft einsetzen. Meister ist der Titel, den ich begehre.« Ich drückte meine Stirn auf den Boden und setzte seinen Fuß in meinen Nacken.
Ich erniedrigte mich, wie es in alter Zeit schon Tausende vor ihren Herren getan hatten. Curtis’ Fuß lag leicht auf meinem Hals. In diesem Moment war ich der unterste der Diener und es oblag meinem Schöpfer, mich in einen
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