Septemberblut
ich, haben gesehen, was GordonsIrrsinn anrichten kann. Die anderen Clanherren verstehen den Ernst der Lage nicht. In ihren Augen hat er noch nichts Gefährliches getan, doch er schafft nicht grundlos all die neuen Vampire. Er baut eine Armee auf, wie damals in Paris. Das Messer darf nicht in seine Hände fallen!«
Ich nickte, starrte auf meine Schuhe und verfluchte es, dass Curtis ausgerechnet mich gewählt hatte, um diesen Auftrag zu erfüllen. Es gab genug andere im Clan der Leonhardt. Andererseits wünschte ich mir nichts sehnlicher, als ihm dieses verdammte Messer zu besorgen, damit er stolz auf mich war und ich mich seines Vertrauens würdig erweisen konnte.
»Ich werde es finden«, sagte ich daher schnell.
»Steig zu mir in den Wagen.«
Sobald wir beide saßen, schloss der Fahrer die Tür und blieb draußen stehen. Weshalb wollte Curtis mit mir ungestört sein? Kam sie jetzt schon, die Strafe für meine Unfähigkeit?
»Julius, ich möchte, dass du herausfindest, wem Frederik das Messer gegeben hat. Immerhin war er Vampirjäger, er wusste, dass wir ihn beobachteten.«
»Du meinst, er hat Vorkehrungen getroffen?«
»Mit Sicherheit hat er das. Finde den Erben des Messers, und, Julius …«
Etwas in seiner Stimme verriet mir, dass nun der unangenehme Teil kam. Nach zweihundert gemeinsamen Jahren konnte er kaum noch etwas vor mir verbergen. »Was, Meister?«
»Sobald du den Träger gefunden hast, machst du ihn zu deinem Diener. Vielleicht gelingt es uns auf diese Weise, die Waffe zu kontrollieren.«
Erschrocken zuckte mein Blick zu dem wartenden Fahrer. Robert war Curtis Diener, er folgte ihm auf Schritt und Tritt.Der Gedanke an einen menschlichen Schatten widerte mich an.
»Alles, nur das nicht!«
Curtis’ Gesicht wurde mit einem Schlag leer. »Ich will es so, Julius. Muss ich deutlicher werden?« Seine Energie fasste wie eine eisige Hand an mein Herz, und mein Körper erstarrte alarmiert. Mein Schöpfer hatte die Macht, mich zu zerstören, einfach so. Eilig beugte ich mein Haupt in Demut.
»Ich finde den Träger des Messers, versprochen.«
Die Drohung verschwand, als hätte sie nie existiert, und der Meistervampir legte mir die Hand auf die Schulter. »Ich respektiere deinen Wunsch nach Einsamkeit, Julius. Wenn das Messer erst einmal in unserem Besitz ist, findet sich ein Weg, den Diener loszuwerden.«
Er dachte an Mord, und ich tat es auch.
Kapitel2
Amber saß auf der Rückbank und starrte an den Polizisten vorbei durch die Frontscheibe. Der Wagen bahnte sich seinen Weg durch die Straßen von LA.
Es war weit nach Mitternacht, fast schon wieder Morgen. Der Himmel lag in orangenem Grau und diente den übergroßen Reklametafeln des Sunset Boulevards als fade Kulisse.
Amber hatte keinen Blick dafür. Ihre Augen folgten einer Gruppe junger Männer, die gerade die Bar Marmont verließen und fröhlich die Straße hinuntertanzten. Frederik war im gleichen Alter gewesen, doch ihr Bruder würde nie wiederfröhlich sein, nie wieder lachen – er würde überhaupt nichts mehr, denn Frederik war tot.
Der Gedanke war sperrig und wollte einfach nicht in ihren Verstand passen. Tot! Der einzige, große Bruder. Der Beschützer aus Kindertagen hatte sich mit einem einzigen Sprung zugleich aus seinem und ihrem Leben katapultiert.
Frederik war immer für sie da gewesen, bis er vor wenigen Jahren angefangen hatte, sich zu verändern. Der Gedanke an glückliche Tage ließ Ambers Augen brennen. Häuser und Menschen verschwammen wie auf einem nassen Aquarell, doch Amber gelang es, die Tränen noch einmal hinunterzukämpfen. Sie hatte sich geschworen, stark zu sein, vor allem vor den Polizisten.
Als die beiden Männer vor wenigen Stunden an ihrer Haustür geklingelt und Amber und ihrer Mutter mitgeteilt hatten, dass Frederik vermutlich tot war, hatte etwas in ihr ausgesetzt.
Ihre Gefühle waren seitdem wie abgeschaltet, es kam ihr vor, als beobachte sie sich selber von einer hohen Warte aus. Alles war dumpf, wie in Watte gepackt und irgendwie fern. Diese seltsame Barriere hatte ihr geholfen, alles mit schmerzhafter Ruhe durchzustehen und nicht zusammenzubrechen wie ihre Mutter.
Deshalb war Amber an deren Stelle mit den Polizisten in die Gerichtsmedizin gefahren, um Frederik zu identifizieren.
Ein Arzt hatte sie bereits ungeduldig erwartet, ein fetter Mann Anfang fünfzig, kalt und glubschäugig wie ein Fisch. Er bot Amber einen Kaffee an und schaute dabei nicht einmal auf. Aber sie nahm es ihm nicht übel.
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