Septimus Heap 02 - Flyte
die in der Nacht abgebrannt waren und von Maizie Smalls, dem Fackelanzünder, am Abend durch frische ersetzt werden würden. Septimus sah gerne zu, wenn Maizie die Fackeln anzündete. Von seinem Turmzimmer aus hatte er einen guten Blick auf die Allee, und Marcia ertappte ihn oft dabei, wie er abends zur Anzündzeit, wenn er eigentlich seine Zaubersprüche büffeln sollte, verträumt aus dem Fenster schaute.
Jenna und Septimus traten aus der heißen Sonne in den kühleren Schatten der niedrigen Häuser, die sich, etwas zurückgesetzt, entlang der Allee reihten. Diese Häuser zählten zu den ältesten der Burg und bestanden aus hellen verwitterten Steinen, an denen im Lauf der Jahrtausende Regen, Hagel und Frost und gelegentlich auch kriegerische Gefechte ihre Spuren hinterlassen hatten. Hier waren die zahlreichen Schreibstuben und Druckereien untergebracht, in denen all die Bücher, Schriften, Traktate und Abhandlungen entstanden, die von den Bewohnern der Burg gelesen wurden.
Beetle, der als Prüfgehilfe und Mädchen für alles in Nummer dreizehn arbeitete, hockte faul in der Sonne und nickte Septimus freundlich zu. Haus Nummer dreizehn hob sich von all den anderen Geschäften und Kontoren ab. Es war das einzige, hinter dessen Fenstern so hoch Papier gestapelt war, dass man nicht hineinsehen konnte, und obendrein war es unlängst lila gestrichen worden, was beim Verein zur Erhaltung der Zaubererallee helle Empörung ausgelöst hatte. Nummer dreizehn beherbergte das Magische Manuskriptorium und die Zauberprüfstelle, deren Dienste Marcia und die meisten Zauberer regelmäßig in Anspruch nahmen.
Jenna und Septimus hatten fast das Ende der Zaubererallee erreicht, als sie hinter sich Hufgetrappel vernahmen, das auf der leeren Straße widerhallte. Sie drehten sich um und erblickten in einiger Entfernung einen schwarzen, staubbedeckten Reiter, der auf einem großen schwarzen Pferd zum Manuskriptorium galoppierte. Dort angekommen, sprang er vom Pferd, band es an und stürmte ins Haus, dicht gefolgt von Beetle, der über Kundschaft so früh am Morgen sichtlich überrascht war.
»Wer das wohl sein mag?«, sagte Septimus. »Den habe ich hier noch nie gesehen. Du?«
»Ich weiß nicht«, antwortete Jenna nachdenklich. »Irgendwie kommt er mir bekannt vor, aber ich weiß nicht, woher.«
Septimus antwortete nicht. Von dem Spinnenbiss war plötzlich ein stechender Schmerz in seinen Arm gefahren, und aus irgendeinem Grund musste er an den Schatten denken, den er am Morgen gesehen hatte. Er erschauderte.
* 3 *
3. Ein Dunkelpferd
G u drun die Große hielt am Palasttor Wache. Sie schwebte gut einen Meter über dem Boden und döste friedlich in der Sonne. Gudrun, die ein sehr alter Geist war und zu den allerersten Außergewöhnlichen Zauberinnen gehört hatte, träumte von jenen fernen Tagen, als der Zaubererturm noch neu war. In der grellen Sonne war sie fast unsichtbar, und Jenna und Septimus sprachen so angelegentlich über den geheimnisvollen Reiter, dass sie mitten durch sie hindurchgingen. Gudrun die Große hielt sie irrtümlich für ein Zwillingspaar, das vor langer, langer Zeit bei ihr in die Lehre gegangen war, und nickte ihnen verträumt zu.
Im Jahr zuvor hatte Alther Mella die Aufgabe übernommen, die Geschicke der Burg und des Palastes zu lenken, bis Jenna alt genug war, um Königin zu werden. Und nachdem er zehn Jahre lang hatte mit ansehen müssen, wie die verhassten Gardewächter vor dem Palast patrouillierten und die Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzten, hielt er es für besser, wenn nie wieder Soldaten den Palast bewachten. Aus diesem Grund hatte er, der selbst ein Geist war, die Alten gebeten, als Wächter einzuspringen. Die Alten waren ältere Geister, von denen viele mindestens fünfhundert Jahre auf dem Buckel hatten, und manche, wie Gudrun, sogar noch mehr. Da ein Geist mit zunehmendem Alter immer durchscheinender wird, waren die meisten von ihnen kaum noch zu sehen. Jenna hatte sich noch nicht daran gewöhnt, durch eine Tür zu schreiten und hinterher feststellen zu müssen, dass sie mitten durch den dösenden Zweiten Hüter des königlichen Bettpfostens oder irgendeinen anderen alten Würdenträger gegangen war. Meist bemerkte sie ihren Fehler erst, wenn eine zittrige Stimme »Wünsche einen guten Morgen, schöne Maid« hinter ihr säuselte und der Geist, den sie unsanft geweckt hatte, sich zu erinnern versuchte, wo er war. Zum Glück hatte sich der Palast seit seinem Entstehen kaum
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