Shadow Guard: So still die Nacht (German Edition)
Louvre? Es muss eine Reihe interessierter Parteien geben.«
Die Stangen von Minas eng geschnürtem Korsett drückten sich unangenehm in ihren Brustkorb, direkt unter ihrem Busen. Ihr Herz hämmerte donnernd.
Seine Stimme wurde leiser, beinahe gedämpft. »Wenn Sie mir einfach einen Namen nennen könnten, wäre ich mehr als glücklich, mich selbst mit dem Betreffenden in Verbindung zu setzen.«
Seine Augen … sie waren so durchdringend, als schauten sie direkt in sie hinein. Es hatte in der Tat Angebote gegeben. Außerdem gab es eine sehr unangenehme Drohung – die der Grund dafür war, dass gegenwärtig eine Pistole ihre perlenbestickte Tasche an ihrem Handgelenk beschwerte.
»Ich kann Ihnen keine Namen nennen.«
Ihre Gedanken überschlugen sich, zweifellos ein unglückliches Ergebnis ihres gequälten Gewissens. Er strahlte eine solch eigenartige Anziehungskraft aus. Plötzlich stellte sie sich vor, ihn leidenschaftlich auf den Mund zu küssen, die Hände in sein Haar gekrallt.
Er lächelte, beinahe so, als könnte er ihre Gedanken lesen. »Wo sind die Schriftrollen, Miss Limpett?«
Sie erlebte ein überwältigendes Verlangen, alles zu gestehen, ihm alles zu geben, was er wollte.
»Sie sind bei meinem Vater«, platzte sie heraus.
Das Lächeln auf seinen Lippen erstarb. »Wie meinen Sie das … bei Ihrem Vater?«
2
Mina schaute vielsagend dorthin, wo der Hauptweg des Friedhofs in einen schattigen Korridor aus Eichen überging. Mittlerweile würde der Sarg ihres Vaters von Totengräbern zu den Katakomben gebracht worden sein.
Selbst in dem schwächer werdenden Licht schien Lord Alexanders Gesicht noch eine Spur bleicher zu werden.
»Das kann nicht Ihr Ernst sein. Die Schriftrollen wurden mit Ihrem Vater … beerdigt?«
»So wurde es gemacht …« Sie räusperte sich und zwang sich, besonnen zu klingen, ohne dass es sich anhörte, als hätte sie vor lauter Aufregung einen Frosch im Hals. »Sie waren sein kostbarster Besitz.«
»Uralte Papyri, nie transkribiert oder übersetzt, und Sie wollen mir sagen,« – tief und ungläubig lachte er auf – »dass sie für immer verloren sein sollen?«
Sie nestelte an der Samtkordel ihrer Tasche. »Es waren drei lange Monate.«
»Das ist ja unglaublich!«
Sie schaute ihn unter der Krempe ihrer Haube hinweg an. »Ich nehme an, Sie möchten Ihr Foto zurückhaben?«
Er reagierte mit einem kläglichen Grinsen. Das Lächeln, das er aufgesetzt hatte – wenn auch ein wenig angespannt – wirkte überraschend aufrichtig, als erheitere sie ihn.
»Nein, Miss Limpett, ich möchte das Foto nicht zurückhaben.« Er imitierte ihre Aussprache, ihren Rhythmus und Tonfall, ein kleiner Flirt, der einen wohligen Schauer bei ihr verursachte. »Ich bin natürlich enttäuscht, aber wer bin ich, Einwände gegen den letzten Wunsch eines Sterbenden zu erheben? Ich hätte damit rechnen sollen.« Sein Blick schweifte über den Friedhof. »Ihr Herr Vater war immer ziemlich exzentrisch. Zumindest hat man mir das erzählt.«
Mina nickte. Die Exzentrizität ihres Vaters war der Fluch ihrer Existenz gewesen.
»Ich fürchte, ich muss Sie jetzt verlassen, Miss Limpett, damit Sie zu Ihrer Familie zurückkehren können.« Er lüpfte seinen Zylinder.
»Danke, dass Sie gekommen sind«, sagte sie; sie war gleichzeitig erleichtert und enttäuscht, dass ihre Begegnung nun zu Ende war. »Ihre Anwesenheit hätte meinem Vater so viel bedeutet.«
Seine Mundwinkel zuckten in die Höhe, und sie sah einen schelmischen Ausdruck in seinen Augen. Er setzte den Hut auf. »Das würde ich gern denken.«
Mina beobachtete, wie er mit langen Schritten auf das Torhaus zuging und schließlich durch den Torbogen in Richtung Hauptstraße verschwand, wo Reihen von Kutschen die Swain’s Lane füllten und darauf warteten, Trauergäste vom Friedhof heimzufahren.
Ihr Onkel kam näher, er stützte sich auf seinen Stock. »Entschuldigen Sie, dass ich Sie allein gelassen habe.«
»Ich habe das frische Grün genossen.«
Er streckte die Hand aus und führte Mina zu der wartenden Trauerkutsche, die eigens für diesen Tag gemietet worden war. »Das war doch Lord Alexander, mit dem Sie gesprochen haben, nicht wahr?«
»Ja, das ist richtig.«
»Was um alles in der Welt hat er gewollt?«
Der graue Kies knirschte unter ihren Schuhen. Als sie die Kutsche erreichten, öffnete der Lakai der Traffords in seiner schwarzen Livree den Schlag und zog die Treppe herunter.
»Anscheinend hat er Vater gekannt.«
»Ach ja?« Ihr
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