Shadows Lost (Vampirkurzgeschichte) (German Edition)
eine vernünftige Erklärung wartete, war Josua. Ihr früherer Geliebter jagte Annicius und seine Anhänger bereits seit Jahrhunderten, noch bevor sie selbst dem Schatten anheim gefallen war. Josua hatte mit ihrem Schöpfer gebrochen, und er verbündete sich nicht aus einer Laune heraus mit dem Feind. Dieser letzte Gedanke verursachte einen winzigen Riss in ihrem Schutzmantel.
»Was war in der Spritze gewesen?«, fragte sie etwas versöhnlicher. »Aber vor allem will ich wissen, warum hat Annicius dir vertraut?« Es fiel ihr schwer, diese beiden Fragen zu stellen, denn damit gab sie zu, gewillt zu sein, ihm zu glauben. Sie konnte ihre momentane Lage eigentlich nur verbessern. Nach Hause konnte sie nicht mehr. Nicht, wenn sie weiteren Begegnungen mit Schattenvampiren entgehen wollte.
»Sie enthielt ein starkes Sedativum, welches ich ein wenig eingefärbt habe, damit es genauso aussieht wie das echte Gift, welches er entwickelt hat«, antwortete Shamash und nickte Cathrine anerkennend zu. »Ich habe es zuvor ausgetauscht. Mein Bruder hat es nicht einmal bemerkt.« Seine Brust schwoll etwas an. »Eine Meisterleistung, wenn ich bedenke, dass ich es genau vor seinen Augen tat. Wäre Josua nicht gewesen, hätten wir vermutlich kein so leichtes Spiel gehabt.«
Irritiert schaute sie ihn an.
»Im heutigen Zeitalter ist es kein Problem, sich solche Mittel zu besorgen.« Dennoch nahm Josua das Kompliment grinsend an.
»Und der Rest?« Damit beeindruckten die beiden sie nicht.
»Das war ein wenig schwieriger«, räumte Shamash ein. »Alles, was ich dir über das Verhältnis zwischen meinem Bruder und mir erzählte, ist wahr. Mir ist es allerdings gelungen, ihn zu täuschen. Ich konnte ihn davon überzeugen, dass ich plane, unsere Feinde …«, dabei tauschte er einen kurzen, wissenden Blick mit Sari aus, »… versuche von Innen heraus zu vernichten. Mit einer fantastischen Lügengeschichte hatte ich ihn schließlich nach ein paar Jahren am Haken. Als er sich dann bei mit beklagte, wie lästige ihm Josua geworden war, kam er auf die Idee, dich als Köder zu benutzen … für Josua. Doch er wusste nicht, dass die Nusku und ich schon längst mit ihm in Kontakt standen. Aus unserem vorläufigen Zweckbündnis entwickelte sich eine Freundschaft. Und Josua machte sich große Sorgen um dich, Cathrine. So setzte sich unser Plan nach und nach zusammen, um Annicius direkt bei seiner überheblichen Arroganz zu packen. Denn eines ist sicher … unser aller Feind heißt Annicius.«
Cathrine schluckte merklich. Diese neuen Informationen musste sie erst einmal verdauen, denn sie warfen auf die verfahrene Situation ein ganz neues Bild. »Aber wenn ihr Angst um mich hattet, wieso habt ihr mich dann als Köder benutzt? Euch wäre doch bestimmt was anderes eingefallen. Gibt es dieses Artefakt überhaupt?«
»Ja, das gibt es«, antwortete Shamash, und ein Lächeln erhellte seine Miene. »Doch niemand weiß, wo es sich befindet. Immerhin hat es ausgereicht, dein Interesse zu wecken. Annicius hatte mir vertraut, aber nie genug, um mir mehr über das Artefakt zu erzählen. Das ist sein Geheimnis. Spätestens, wenn er merkt, dass nicht nur du, sondern auch ich verschwunden bin, wird er uns gnadenlos jagen.«
»Dann drehen wir den Spieß um und jagen ihn.« Noch bevor das letzte Wort Cathrines Mund verlassen hatte, staunte sie über sich selbst. Hatte sie das wirklich gesagt? Ihr Hass auf ihren Schöpfer schwelte ganz dicht an der Oberfläche, während ihre Zweifel immer weiter in den Hintergrund rückten. Kurzum fuhren Cathrines Gefühle und Gedanken Achterbahn. Shamash hatte ein gefährliches Doppelspiel gespielt, was ihre und auch Saris Rettung mehr als bewies. Seine Loyalität gehörte den Nuskuanhängern, die ihm wiederum vertrauten. Josua hatte sich ihnen bereits angeschlossen. Ohne Hilfe würde sie ganz alleine dastehen. Und Unterstützung benötigte sie, wenn sie Annicius ein für alle Mal seine Grenzen aufzeigen wollte.
Die drei Männer starrten sie überrascht an. Für einige Augenblicke genoss sie deren Schweigen, bis sie schließlich hinzufügte: »Mit meiner Entscheidung habe ich euch noch lange nicht verziehen. Ihr habt mich reingelegt und belogen. Doch wir haben alle dasselbe Ziel. Lasst euch aber eines gesagt sein … ich spiele nie wieder den Köder!«
Die Stille in dem Hotelzimmer hielt an. Cathrine stand auf und lief zum Fenster, durch das die Sonne herein schien. Sie drehte sich um und sah jedem einzelnen tief in die Augen. »Haben
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