Shaman Bond 03 - Der Spion, der mich jagte
plötzlich hatte er einen Zeigeknochen der Aborigines in der Hand, einen Kundela. Einen kleinen, farblosen Menschenknochen, der mit Blut und mörderischer Magie getränkt war. Ein Schamane der Aborigines, der sich damit auskannte, konnte mit so einem Ding auf die Gegenstände zeigen, die er in seiner Welt nicht haben wollte, und sie verschwinden lassen. Big Aus stach mit dem Kundela nach mir. An meinem gerüsteten Arm prallte etwas auf wie eine Kanonenkugel. Der Knall echote durch die Juwelenkammer, als hätte jemand eine große goldene Glocke angeschlagen, aber ich blieb stehen und rührte mich nicht. In meiner wunderbaren Rüstung fühlte ich keinen Einschlag. Ich ging langsam auf Big Aus zu, während er weiter mit dem Kundela in meine Richtung stach. Doch jedes Mal wurde der Einschlag und auch der Klang leiser und weniger heftig.
Big Aus zuckte flink mit den Achseln, stopfte den Knochen wieder in seine Tasche und plapperte etwas in einer fremden Sprache, das ich nicht verstand. Das machte mir ein klitzekleines bisschen Sorgen, weil mein Torques eigentlich jede Sprache hätte übersetzen müssen, die es gab. Zum Mindesten hätte er mich mit wenigstens annähernd richtigen Untertiteln versorgen müssen. Aber diese Worte waren so alt, so fremdartig und altertümlich, dass sie älter waren als die Druiden, aus denen dann die Droods hervorgegangen waren. Big Aus hatte seine Hausaufgaben wirklich gemacht.
Ich war beinahe in Reichweite seines Arms. Ich zeigte ihm eine goldene Faust, mit Spikes auf den Knöcheln. Jetzt grinste er nicht mehr, man konnte seiner Stimme die Anstrengung der uralten Worte anhören. Sein breites Gesicht glänzte vor Schweiß. Er wich jetzt so schnell zurück, dass er beinahe rannte, aber er blieb dicht bei den Kronjuwelen, als weigere er sich, sich von ihnen zu entfernen. Als er die letzten Worte ausspuckte, erschien auf einmal aus dem Nichts eine riesenhafte Schlange und wickelte sich um mich herum.
Sie war unglaublich groß, ihr Körper mindestens so groß wie die Londoner U-Bahn. Die Windungen ihres Leibes überlagerten immateriell die Juwelenkammer, waren aber nichtsdestoweniger real. Langsam zog sich der Körper der Schlange um mich zusammen. Natürlich war die Schlange nicht echt. Das hier war der Geist einer Schlange, ein alter Urgeist in Schlangenform, der mit Worten aus der Traumzeit geholt worden war, die besser unausgesprochen geblieben wären. Ich konnte nicht glauben, dass ein Schamane der Aborigines Big Aus diese Worte freiwillig mitgeteilt hatte, ganz egal, was der wohl versprochen haben mochte. Geister wie diese sollten nie in unsere begrenzte Welt gerufen werden dürfen. Sie haben immer eigene Pläne.
Big Aus intonierte noch mehr Worte, jetzt an die stählernen Gitterstäbe gerichtet, die die Kronjuwelen umgaben. Schutzzauber sprühten Funken, flackerten und gingen aus, und die metallenen Gitterstäbe schmolzen dahin wie heißes Kerzenwachs. Ich konnte alles durch die Windungen des Schlangenkörpers um mich herum sehen, und das gab mir den Rest. Vielleicht handelte es sich hier um einen alten Geist, der zu Fleisch geworden war, vielleicht sogar um einen älteren Gott, den man wieder in die Welt gelassen hatte, aus der man ihn vor langer Zeit vertrieben hatte, aber es war auch nur eine Schlange. Und ich war ein Drood. Durch die goldene Maske konnte ich sehen, dass die Lebenskraft wie ein leuchtender Fluss durch den Schlangenkörper pulsierte. Ich stieß meine gerüstete Hand tief in das unnatürliche Fleisch des Reptils, schloss meine goldene Faust um die Lebenskraft und drückte zu. Die Schlange kreischte einmal auf und verschwand zurück in die Sicherheit der Traumzeit.
Ich war wieder mit Big Aus allein im Tower.
Er sah auf die Kronjuwelen, die jetzt ohne Verteidigung vor ihm lagen. Dann wandte er mir seinen Blick zu. »Du kannst mich nicht aufhalten«, sagte er trotzig. »Ich habe zu lange darauf hingearbeitet. Ich habe Waffen und Geräte genug, um selbst einen Drood zu stoppen. Ich habe auch schon einen Teleport-Zauber vorbereitet, um mich und die Kronjuwelen hier rauszuholen.«
»Vielleicht hast du die Waffen«, sagte ich. »Aber ich kenne die richtigen Worte.«
Und ich sprach die Worte, die mir der Waffenmeister der Familie geschickt hatte. Er hatte sie mit eigener Hand auf nur einmal benutzbares Stück Pergament geschrieben. Worte, die in der Sekunde verschwanden, als ich sie auswendig gelernt hatte, denn sie waren zu gefährlich, als dass jemand sie lesen durfte,
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