Shane - Das erste Jahr (German Edition)
mit! Shane hat Zeit heute!“
Shane hängte den Mantel an die Garderobe.
„Wann gehen wir, Mama? Wann gehen wir?“
Die Mutter deckte den Tisch. „Wir warten noch auf Papa, Timmy. Hallo, Shane.“
Als sie durch die Stadt liefen, wurde der Himmel bereits dunkler, die Häuser beugten sich über ihre Köpfe, ihre und Hunderte andere, die in Scharen durch die Gassen wanderten, um ins Innere der Stadt, auf den Marktplatz zu gelangen.
Timmy klammerte sich an seiner Mutter fest und schaute ängstlich nach oben, auf die steinernen Gespenster über ihm, Shane lief neben ihrem Vater her und blickte staunend in alle Richtungen.
Als sie durch die zweite Mauer gingen, war es tatsächlich so, als würden sie wie Goldmarie durch den Torbogen wandeln. Shane riss die Augen auf. Überall in der Stadt hatte man Lampions aufgehängt, in allen Gassen hingen sie und schüttelten ihre leuchtenden Bäuche. Der Vater stupste Shane an. „Wunderschön, nicht wahr? Deine Mutter und ich liebten es schon als Kinder, wir fanden schon damals, dass die Stadt zu dieser Zeit am schönsten ist.“
Bald hatten sie den Marktplatz erreicht, kleine Buden und Hütten reihten sich aneinander und verströmten einen Geruch nach Punsch, Plätzchen und Lebkuchen. Die Eltern blieben an einem Stand stehen. „Shane, möchtest du einen Punsch?“
Shane nickte. Sie blickte sich um.
Vom Marktplatz aus gingen verschiedene Straßen und Gassen ab, alle waren beleuchtet und wiesen den Weg.
Shane runzelte die Stirn.
Sie kniff die Augen zusammen und blickte quer über den Marktplatz.
Dort drüben, auf der anderen Seite konnte sie eine Gasse erkennen, die nicht beleuchtet war, ein kleiner dunkler Weg führte vom Platz weg.
Shane betrachtete ihre Eltern. Sie rieben sich die Hände und blickten erwartungsvoll auf den Standbesitzer, der die heißen Getränke einschenken sollte. Shane trat langsam einen Schritt zurück. Dann noch einen. Sie drehte sich um und ging durch die Menschenmassen hindurch über den Marktplatz. Ihre Augen waren auf die dunkle Gasse gerichtet, ihre Füße trugen sie fast automatisch weiter. Sie schob sich durch die Menschen, drängte sich durch das Gewühl. Dann war sie da.
Eine dunkle schmale Gasse. Niemand hielt sich hier auf, niemand ging hier hindurch. Hinter sich hörte sie die gedämpften Stimmen der Menschen. Doch hier vor ihr, in der dunklen Gasse war es still.
Shane blieb stehen. Sie suchte nach einem Schild. Keins zu sehen. Sie blickte nach vorn, in das Schwarz des schmalen Weges.
Langsam ging sie weiter, setzte einen Fuß nach dem anderen. Die Straße wurde etwas breiter, etwas heller, Shane runzelte die Stirn.
Was …
Auf einmal traf es sie wie ein Schlag, ihr wurde für einen Moment schwarz vor Augen, die Erkenntnis traf sie mit einer Wucht, die sie fast umschlug, das Herz schlug ihr in der Brust.
Das war der Platz! Das war der Ort! Das war der Ort, den sie in ihren Träumen sah, jede Nacht! Nacht für Nacht!
Shane raste mit den Augen über die Stelle vor ihr, fuhr alles ab, was völlig unnötig war, sie kannte es auswendig, kannte jedes Detail, hatte sie schon Hunderte Male gesehen. Shane blieb wie erstarrt stehen, dann drehte sie sich um und rannte davon.
„Ich würde wirklich gern mit ihr zum Arzt gehen.“
„Warum denn nun schon wieder!“
„Weil sie sich einigelt.“
„Die Schulpsychologin hielt es auch für unnötig.“
„Sie ist weggelaufen!“
„Und dann kam sie wieder. Sie wollte sich nur die Stände anschauen!“
Ihr Mann kam auf sie zu und umfasste ihre Schultern. „Gertie. Sie wird groß. Daran kann kein Arzt etwas ändern.“
Timmy stand vor dem Auto. Das Zugband seines Schneeanzuges steckte in seinem Mund und er kaute genüsslich darauf herum. Die Stimme der Mutter wurde lauter. Timmy spuckte das Band aus. Die Mutter kam aus dem Haus und trug Kisten in das Auto. „Timmy, setzt dich schon mal rein.“
Timmy kletterte auf seinen Sitz. Das Band wanderte wieder in seinen Mund. Die Mutter räumte die Kisten in den Kofferraum und drehte sich um. Sie blieb abrupt stehen. „Shane, hast du mich erschreckt!“
„Geht ihr einkaufen?“
„Ja.“ Die Mutter schaute erstaunt. „Willst du etwa mitkommen?“
Shane nickte.
„Steig ein. Ach ja …“ Die Mutter kramte in ihrer Jackentasche. „Hier ist der Einkaufszettel. Wollen doch mal sehen, was die in der Schule euch so beibringen, hä?“ Sie zwinkerte Shane zu.
Die seufzte und schob den Zettel in eine ihre vielen
Weitere Kostenlose Bücher