Shane - Das erste Jahr (German Edition)
schwarzen Brauen zusammen und lehnte den Kopf gegen die kühle Scheibe. Der Vater räumte dunkle Boxen in den Van. Das konnte nur eins bedeuten …
Shane riss die Augen auf und fuhr herum. Schon hörte sie die tapsigen Schritte des Bruders auf der Treppe. Der Dämlack konnte immer noch nicht einen Fuß nach dem anderen setzen, er stieg erst eine Stufe hoch, stellte dann beide Füße nebeneinander, hob dann wieder denselben hoch wie vorher und so weiter und so fort.
Shane fand das nervtötend, und vorgestern hatte sie ihn gestoßen, weil er ewig die Treppe nicht hinunter gekommen war, er war ganze vier Stufen geflogen und hatte dann geplärrt wie verrückt. Sie hatte Gott sei Dank einen Lutscher erspäht und ihm in die Hand gedrückt. Einen Tag später war auf seiner Stirn ein wunderschöner lila Fleck erschienen.
Shane fand, dass er aussah wie ein Hühnerbein, sie hatte sich interessiert nach vorn gebeugt, als die Mutter fragte:
„Wo hat Timmy denn schon wieder den blauen Fleck her?“
Shane war zusammengezuckt und hatte sich dann wieder ihrem Müsli zugewandt. „Keine Ahnung.“
Jetzt kam der Dämlack immer näher und Shane schaute sich hektisch in ihrem Zimmer um. Auf keinen Fall ließ sie sich schon wieder zum Einkaufen zerren, lieber würde sie in der Hölle schmoren. Sie hasste es beim Einkaufen, es war voll, es war laut; fette und stinkende, oder noch schlimmer, singende Menschen würden sich an ihr vorbeidrängen, Papa würde auf den Zettel in seiner Hand starren und Mama vorlesen, oder sie besser gesagt anbrüllen, immer wieder müssten sie umdrehen, weil sie etwas vergessen hatten, und Timmy würde sich aufführen wie ein Baby, wenn er nicht das bekam, was er wollte. Beim letzten großen Einkauf hatte Mama verkündet: „Shane, bald kannst du lesen, dann liest du uns immer den Zettel vor, hä, hä?“, und begeistert ihren Mann angestarrt.
Die Schritte kamen näher, und jetzt, da der Bruder die Treppe bezwungen hatte, wurden sie schneller. Shane raffte das Papier und ein paar Stifte und rannte zum Schrank.
Timmy öffnete die Tür. Er wandte den Kopf hin und her.
„Sie ist nicht da!“, brüllte er.
Er wollte gerade die Tür zuziehen als sein Blick auf die Kürbiskerze fiel, die auf Shane’s Tisch lag. Er wollte auch unbedingt einen Kürbis haben, Shane hatte ihm auf die
Finger gehauen als er sie sich nur anschauen wollte. Wirklich, nur anschauen!
Tapsige Schritte kamen näher und kleine klebrige Finger schlossen sich um orangefarbenes Wachs. Der kleine Bruder drehte sich um und ging hinaus. Ein fettes Grinsen lag auf seinem Gesicht. Shane lugte durch die Ritze zwischen den Türen und kniff die Augen zusammen. „Dämlack!“
Am nächsten Morgen saß Shane am Frühstückstisch und beobachtete den kleinen Bruder. Er rührte mit seinen dicken Fingern in der Müslischale. Sobald sich die Mutter umdrehte, warf er ein paar Cornflakes unter den Tisch. Die Mutter drehte sich wieder um und der Bruder lächelte sie an. Sie lächelte zurück und strich über den kleinen Blondschopf. Das Spiel begann von neuem. Shane reckte den Hals und schaute in die Schale des Bruders. Es war noch genug drin für …fünf Minuten.
„Und, Shane, wie hat es dir gestern gefallen?“
Eine Hand voll Cornflakes flogen unter den Tisch.
„Das hab ich doch schon erzählt.“
„Ja, aber du hast noch nicht erzählt, wie deine Lehrer sind.“
„Wir waren nur bei Frau Lindenbaum.“
Die Mutter nickte eifrig. „Und, wie ist sie?“
Eine zweite Hand voll Cornflakes.
„Nett.“
Die Mutter nickte.
„Sie wird noch viel netter, wenn sie auf dem Klo gekifft hat.“
„Mark!“
Die Mutter fuhr herum. Shane reckte den Kopf. Die Schale war leer.
Der große Bruder setzte sich an den Tisch. „Wir haben sie im letzten Schuljahr erwischt. Das ganze Scheißhaus hat gestunken.“
„Mark!“
„Warte nur, bis du den Schmauss kennen gelernt hast, der drückt sich die ganze Zeit sein Glasauge rein.“
Shane verzog angeekelt das Gesicht.
Die Mutter ging auf den großen Bruder zu und blickte ihn drohend an. „Hörst du jetzt mit diesen Geschichten auf!“
Mark hob die Hände. „Was denn, sie wird es eh bald selbst sehen! Die ganze Schule ist voll von Freaks!“
Der kleine Bruder schaute sich auf dem Tisch um und entdeckte die Reiskekse. Die Mutter baute sich vor Mark auf und stützte die Hände in die Hüften. „Das ist eine sehr gute Schule! Dein Vater und ich sind auch dorthin gegangen.“
Ein
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