Shannara V
Präsenz, die er zuvor wahrgenommen hatte, war wieder da, hier stärker, bereiter, sicherer. Und beobachtend. Walker rührte sich nicht. Er fühlte Augen von überall her auf sich gerichtet, als gäbe es keinen Ort, an den er ungesehen fliehen könnte. Der Stein der Stadt trug ihn, doch vermochte sich auch ohne Vorwarnung um ihn schließen und ihm sein Leben herausquetschen. Die Präsenz wollte, daß er das wußte. Sie wollte, daß er wußte, wie unbedeutend er war, wie unnütz seine Suche und wie überflüssig sein Leben. Es fiel über ihn her, drückte auf ihn nieder wie der Nebel und der Regen. Geh nach Hause, hörte er es sagen. Geh, solange du es noch kannst.
Er ging nicht. Er trat nicht einmal zurück. Er war in seinem Leben oft genug bedroht worden, hatte genügend Finsteres gesehen, das durchs Land streifte, um zu erkennen, wann er getestet wurde. Es war nicht ein Versuch, ihn zu zerschmettern; es war hänselnd und vorgetäuscht, als sei es dazu gedacht, den gegenteiligen Effekt zu erzielen. Geh nicht wirklich fort, schien es zu sagen. Aber denk daran, daß man es dir geraten hat.
Walker Boh trat vor eine Stelle, wo die Wand zwischen den Steinbändern am breitesten war. Der Tod strich an ihm vorbei, ein leichtes Sprühen, von Regen und Wind getragen. Es war absurd, doch er fühlte Cogline dicht neben sich. Der Geist des alten Mannes war aus der Asche von Hearthstone auferstanden und gekommen, um seinen Schüler beim Praktizieren des Handwerks, das er ihn gelehrt hatte, zu beobachten, gekommen vielleicht, um zu urteilen, wie gut er es handhabte. Du wirst nie frei sein von der Magie, hörte Walker ihn sagen. Er betrachtete eine Weile die zerklüftete, verwitterte Oberfläche der Mauer, beobachtete das Regenwasser, das sich in unregelmäßigen, silbrigen Rinnsalen, glitzernd wie Quickenings Haarsträhnen, nach unten schlängelte. Noch einmal tauchte er in sein Inneres nach der Magie, und diesmal bekam er sie zu fassen. Er zog ihre Kraft um sich wie eine Rüstung, panzerte sich mit ihr, als wolle er der steinernen Mauer ebenbürtig sein, und dann streckte er seine Hand aus und drückte mit den Fingern gegen den Stein.
Er fühlte, wie die Magie m ihm aufstieg, wie sie heiß wie Feuer aus seiner Brust in seinen Arm flutete, in seine Finger, in …
Es gab ein Beben, und der Stein vor ihm wich, zuckte zurück, als sei es menschliches Fleisch, das gebrannt wurde. Es gab ein langgezogenes, dumpfes Knirschen, das Geräusch von Stein, der über Stein schabt, und einen schrillen Schrei, als sei Leben dazwischengeklemmt. Quickening kauerte sich nieder wie ein erschreckter Vogel, ihr Silberhaar nach hinten geworfen, ihre Augen leuchtend und seltsam lebhaft. Morgan Leah zog in einer einzigen, schnellen Geste sein Breitschwert, das er über den Rücken geschnallt trug.
Die Mauer vor ihnen öffnete sich - nicht wie eine Tür, die aufschwang, oder ein Paneel, das sich hob, sondern wie ein Lappen, der entzweigerissen wird. Sie öffnete sich weit vom Fundament bis zum Scheitel wie ein Maul, das gefüttert werden will. Als die Öffnung sieben Meter breit war, stoppte sie, unbeweglich, mit einem glatten steinernen Rahmen, der aussah, als sei er schon immer dort gewesen und gehöre eindeutig hierher.
Ein Eingang, dachte Walker Boh. Genau das, was sie gesucht hatten.
Quickening und Morgan Leah standen erwartungsvoll neben ihm. Er sah keinen der beiden an. Er hielt seinen Blick in die Öffnung gerichtet, in die Finsternis und das Meer undurchdringlicher Schatten. Er suchte und lauschte, doch nichts gab sich preis.
Doch wußte er, was dort wartete.
Carismans Stimme sang leise in seinem Geiste. Komm nur herein, sagte die Spinne zur Fliege.
Mit dem Mädchen und dem Hochländer an seiner Seite nahm er die Einladung an.
Kapitel 25
Schatten umfingen sie fast augenblicklich, Schichten von Finsternis, die wenige Meter innerhalb der Kuppel begannen und alles, was jenseits lag, vollständig umhüllten. Unter Walkers Führung wurden sie langsamer, warteten, daß ihre Augen sich gewöhnten, und lauschten dem hohlen Echo ihrer Schritte, das in der Ferne verklang. Dann blieb nur noch das Geräusch ihres Atems. Hinter ihnen bildete das fahle, graue Tageslicht einen dünnen Faden, der sie mit der Außenwelt verband, und kurz darauf war auch er zerrissen. Wieder schabte Stein auf Stein, und die Öffnung, die ihnen den Eintritt erlaubt hatte, verschloß sich wieder. Niemand rührte sich, um es zu verhindern; sie hatten es in der Tat alle
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