Shannara V
gemacht, statt einfach nur zu Trägern. Sie haben die Struktur unseres Bewußtseins, unseres Körpers und unseres Geistes verändert; sie haben uns zerrüttet. Und sie sind noch immer nicht befriedigt. Schau, was sie jetzt von uns erwarten! Schau, was von mir erwartet wird! Ich soll aus der Sklavenrolle schlüpfen und Meister werden. Ich soll den schwarzen Elfenstein übernehmen - eine Magie, die ich nicht einmal beginne zu verstehen. Ich soll sie einsetzen, um das verlorene Paranor zurückzuholen. Und nicht einmal damit ist es genug. Ich soll auch die Druiden zurückbringen. Aber es gibt keine Druiden mehr. Es gibt nur mich. Und wenn es nur mich gibt, dann …«
Die Worte blieben ihm im Hals stecken. Seine Entschlossenheit geriet ins Wanken. Seine Geduld verließ ihn. Sein Zorn kam zurück, ein rohes, bitteres Echo in der Stille.
»Sag es mir!« flehte er.
»Aber ich weiß es doch nicht«, flüsterte sie.
»Du mußt!«
»Walker …«
Er hatte Tränen in den Augen. »Ich kann nicht sein, was Allanon will, daß ich sei - was er von mir verlangt! Ich kann es nicht!« Er sog schnell und hastig die Luft ein, um sich zu fangen. »Siehst du das, Quickening? Wenn ich die Druiden wiederbringen soll, indem ich einer werde, wenn ich das muß, weil es keinen anderen Weg gibt, damit die Rassen die Schattenwesen überleben können, muß ich dann sein, wie sie einst waren? Muß ich die Kontrolle über das Leben jener übernehmen, denen ich zu helfen behaupte, jener anderen, die Ohmsfords sind, Par und Coll und Wren? Und für wie viele zukünftige Generationen? Wenn ich ein Druide bin, muß ich das tun? Kann ich etwas anderes tun?«
»Walker Boh.« Sie sagte seinen Namen leise und eindringlich. »Du wirst sein, was du sein mußt, doch du wirst immer noch du selber sein. Du bist nicht in einem Spinnennetz von Druidenmagie gefangen, die dein Leben vorherbestimmt hat, eines und nur das eine zu sein. Es gibt immer eine Wahl. Immer.«
Er hatte plötzlich das Gefühl, daß sie von etwas völlig anderem sprach. Ihr edles Gesicht war angespannt unter einem inneren Aufruhr. Sie hielt inne, um sich zu entspannen, die Falten und Runzeln zu glätten. »Du fürchtest dein Schicksal, ohne zu wissen, was es sein wird. Du bist gelähmt durch Zweifel und Befürchtungen, die du dir selber machst. Vieles ist dir widerfahren, Dunkler Onkel, und genug, um jedermann zweifeln zu machen. Du hast geliebte Menschen verloren, deine Heimat, einen Teil deines Körpers und deines Geistes. Du hast gesehen, wie das Gespenst einer Kindheitsangst Gestalt angenommen hat und zu einer Bedrohung geworden ist, die real ist. Du bist fern von allem, was dir vertraut ist. Aber du darfst nicht verzweifeln.«
Sein Blick war verquält. »Aber ich tue es, Quickening. Ich habe den Halt verloren. Ich fühle, wie ich vollständig untergehe.«
Sie nahm seine Hand. »Dann halt dich an mir fest, Walker Boh. Und erlaube mir, mich an dir festzuhalten. Wenn wir uns gegenseitig Halt geben, werden wir nicht abgleiten.«
Sie rückte neben ihn und legte ihm den Kopf auf die Brust. Ihr Silberhaar breitete sich über seinen Umhang. Sie sagte nichts, ruhte nur dort, hielt noch immer seine Hand fest, und ihre Wärme mischte sich mit der seinen. Er senkte sein Kinn auf ihr Haar und schloß die Augen.
Dann schlief er, und er hatte keine Träume und schreckte auch nicht plötzlich aus dem Schlaf. Nur ein sanftes Wiegen weicher, unsichtbarer Fäden, die ihn sicher hielten. Das Gefühl des Abgleitens verschwand, so wie sie es versprochen hatte. Er wurde nicht mehr von ungewissen, beunruhigenden Visionen geplagt; er wurde in Frieden gelassen. Ruhe umfing ihn, besänftigend und tröstend. Es waren die Hände einer Frau, und die Frau war Quickening.
Bei Tagesanbruch erwachte er, erhob sich von dem kalten Steinboden, und seine Augen gewöhnten sich an das magere graue Licht. Jenseits des Irrgartens aus Zimmern und Fluren, die ihn von der Außenwelt abschirmten, konnte er das leise Trommeln des Regens hören. Quickening war fort. Er fand sie an einer Fensterfront auf der Nordseite. Sie starrte in den Dunst hinaus. Die steinernen Häuser und Straßen glänzten naß, spiegelten ihr eigenes Bild als groteske Parodie, reflektierten ihre Leblosigkeit. Eldwist grüßte den neuen Tag als blinde, starre Leiche. Reihen von Häusern, Bänder von Straßen erstreckten sich in die Ferne, ein symmetrisches Konstruktionsmuster, glatt und hart und bar jeden Lebens. Walker trat neben Quickening und fühlte,
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