Sherlock Holmes - Der Hund von Baskerville
der Schafhirten begegneten, die nachts auf dem Moor sind. Sie riefen ihm zu, ob er nicht einen Reiter mit Hunden gesehen habe. Und der Mann, so berichtet die Geschichte, war so verrückt vor Angst, daß er kaum sprechen konnte. Aber schließlich brachte er doch so viel heraus, daß er ihnen bestätigte, er habe tatsächlich das unglückliche Mädchen, verfolgt von der Meute, gesehen. >Aber ich habe mehr als das gesehen<, sagte er, >denn Hugo Baskerville ritt auf seiner schwarzen Stute an mir vorbei, und hinter ihm lief lautlos ein solch riesiger Höllenhund, wie er mir -das verhüte Gott —
hoffentlich nie auf den Fersen sein wird.< Die betrunkenen Junker fluchten, verwünschten den Schafhirten und ritten weiter.
Aber bald gefror ihnen das Blut in den Adern, denn ihnen entgegen galoppierte die schwarze Stute, mit weißem Schaum bedeckt. Der Zügel schleifte, und der Sattel war leer. Da scharten sich die reitenden Trinkfreunde noch enger zusammen, denn große Furcht hatte sie gepackt. Doch folgten sie immer noch der Spur über das Moor, obgleich jeder, wäre er allein gewesen, recht gern den Kopf seines Pferdes in die andere Richtung gelenkt hätte.
Als sie langsam weiterritten, stießen sie schließlich auf die Hunde. Obwohl ihre Rasse für ihren Kampfesmut bekannt ist, winselten sie, zu einem Haufen gedrängt, am oberen Ende eines tiefen Grabens oder Loches; einige schlichen davon, andere starrten, zum Sprung bereit, in die enge Schlucht vor ihnen.
Die Gesellschaft hatte haltgemacht. Wie man sich denken kann, waren die Männer jetzt nüchterner als beim Aufbruch. Die meisten wollten nun auf gar keinen Fall mehr weiter. Aber drei von ihnen, die kühnsten vielleicht oder auch nur die betrunkensten, ritten stracks die Schlucht hinunter. Nun, diese verbreiterte sich zu einem geräumigen Platz, wo zwei jener großen Steine standen, die man heute noch dort sehen kann, in grauer Vorzeit von irgendwelchen längst vergessenen Leuten dort hingesetzt. Der Mond schien hell auf den freien Platz. Dort, in der Mitte des Platzes, lag das unglückliche Mädchen, wie es hingefallen war, gestorben vor Angst und Erschöpfung. Aber es war nicht der
Anblick ihrer Leiche, noch war es der der Leiche Hugo von Baskervilles, die dicht neben der ihren lag, was den drei Liederjanen, die sonst den Teufel nicht fürchteten, die Haare zu Berge stehen ließ. Es war ein Etwas, das über Hugo Baskerville stand und an seinem Hals riß. Da stand ein entsetzliches Ungetüm, ein großes, schwarzes Tier, seiner Form nach wie ein Jagdhund und doch viel größer als jeder Hund, auf dem je ein sterbliches Auge geruht hat. Und während sie noch da standen und schauten, biß das Ungetüm Hugo Baskerville die Gurgel durch. Darauf wandte es seine glühenden Augen und sein bluttriefendes Maul ihnen zu.
Die drei schrien und kreischten vor Furcht und ritten ums liebe Leben quer durch das Moor. Einer von ihnen, sagt man, sei noch in der gleichen Nacht vor Schreck über das, was er gesehen hatte, gestorben, und die anderen zwei waren gebrochene Leute für den Rest ihres Lebens.
Meine Söhne, das ist die Geschichte vom Auftauchen des Hundes, von dem es heißt, daß er die Familie seither so oft geplagt hat. Ich habe dies nun niedergeschrieben, weil ich meine, daß Dinge, die klar bekannt sind, weniger Furcht einflößen als das, was man bloß andeutet und vermutet. Es kann auch nicht geleugnet werden, daß so mancher in der Familie auf plötzliche, blutige und mysteriöse Weise eines unglücklichen Todes gestorben ist. Doch wollen wir Schutz suchen bei der unendlichen Güte der
Vorsehung, die nicht für alle Zeit und über die dritte oder vierte Generation hinaus die Unschuldigen straft, wie es in der Heiligen Schrift angekündigt ist. Meine Söhne, dieser Vorsehung befehle ich Euch hiermit an, und ich rate Euch, aus Gründen der Vorsicht davon abzusehen, in jenen dunklen Stunden, wenn die Mächte des Bösen losgelassen sind, über das Moor zu gehen.
(Dieses wurde aufgeschrieben von Hugo Baskerville für seine Söhne Rodger und John mit der
ausdrücklichen Bestimmung, daß sie ihrer Schwester Elisabeth nichts davon sagen.)«
Als Dr. Mortimer mit dem Lesen dieser einmaligen Geschichte fertig war, schob er seine Brille auf die Stirn und starrte Mr. Sherlock Holmes an. Dieser gähnte und warf das Ende seiner Zigarette ins
Feuer.»Nun?« sagte er.
»Finden Sie das nicht interessant?«
»Gewiß, für einen Märchensammler.«
Dr. Mortimer zog eine gefaltete
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