Sherlock von Schlotterfels 02 - Ein schauriger Geburtstag
Sie spürte den Lack unter ihren Fingern und dann etwas Weiches, Flauschiges. Ein Bademantel! Ihr stockte der Atem. Oskar?
„Ich bin’s nur, Max!“
Paula seufzte. „Erschreck mich doch nicht so! Ich hab schon gedacht, du wärst Oskar!“, zischelte sie. „Und jetzt komm, du weißt, wie sehr Sherlock es hasst, wenn er auf uns warten muss!“
Geduckt schlichen die beiden über den Korridor. Ein Lichtstreifen unter der Türritze verriet ihnen, dass ihr Vater noch wach war. Wahrscheinlich arbeitete er immer noch an seiner Rede für die Eröffnungsfeier. Aus Frau Hagedorns Zimmer drang romantische Filmmusik. Paula grinste. Vor ihrem inneren Auge sah sie die Haushälterin in einem Meer aus Schokolade und zwischen Bergen von Papiertaschentüchern in ihrem Bett thronen. Das war nämlich ihre Grundausrüstung für die schmalzigen Liebesfilme, die sie so gerne sah und von denen jetzt unter Garantie einer über den Bildschirm flimmerte.
Paula spähte misstrauisch zur Tür des Gästezimmers hinüber, in dem seit heute Nachmittag Oskar wohnte.
Kein Licht! Kein Laut! Besser konnte es gar nicht laufen.
Darauf bedacht, gerade jetzt kein verräterisches Geräusch zu machen, trippelten Max und Paula auf Zehenspitzen an der Tür vorbei.
Kaum waren sie auf der Galerie und damit außer Hörweite, sprudelte Paula los: „Ein Glück! Oskar scheint zu schlafen wie ein Stein. Hätte mich echt nicht gewundert, wenn er irgendwo auf uns gelauert hätte.“
„Stimmt“, pflichtete Max ihr bei und zog eine kleine Taschenlampe aus der Bademanteltasche. „Wiener Schnitzel mit Pommes ist eigentlich mein Lieblingsgericht, aber Oskars Schleimerei hat mir echt den Appetit verdorben! Und dann musste ich immerzu an das Geheimnis der Familie von Schlotterfels denken.“
„Ging mir genauso“, sagte Paula.
Max knipste die Taschenlampe an. Er ließ ihren Schein über die Ahnengalerie an der Wand gleiten.
Unzählige Porträts zeigten die Mitglieder der Familie von Schlotterfels. Allerdings waren diese Herrschaften hier schon viele Hundert Jahre tot.
„Und wie er die ganze Zeit versucht hat, Papa über diesen schaurigen Geburtstag auszuquetschen“, fuhr Max fort. „Ich könnte meine Santa Maria darauf verwetten, dass der so schnell nicht lockerlässt!“
„Santa Maria?“ Paula schüttelte den Kopf. „Keine Ahnung, wovon du redest.“
„Na klar! Die Santa Maria ist dieses superschöne Modellbauschiff, an dem ich gerade arbeite. Auf der echten Santa Maria segelte Kolumbus über die Ozeane.“ Max geriet richtig ins Schwärmen. „Mann, was muss das für ein Schiff gewesen sein! Eigentlich suchte Kolumbus Indien, aber was er entdeckte war Am…“
„So genau wollte ich es gar nicht wissen“, winkte Paula ab. „Bruderherz, du liest zu viel!“
In diesem Moment ertönte hinter ihnen ein Geräusch.
„So ein Mist!“, fluchte Paula. „Da kommt jemand!“
Sofort knipste Max die Taschenlampe aus.
„Los!“, zischte Paula ihm zu. „Lass uns verschwinden!“
„Zu spät!“ Max packte Paula an den Schultern und schob sie gegen die Wand. Schnell stellte er sich neben sie. Zwischen zwei Ölgemälden machten sich die beiden flach wie die Flundern. Nur wenige Augenblicke später lief Oskar schnaufend die Galerie entlang. Paula und Max trauten sich kaum zu atmen, als er mit einer Forscherlampe auf der Stirn an ihnen vorbeitrampelte und die Treppe hinunterpolterte. Kaum war er unten angekommen, stürzte Paula zur Brüstung.
„Dieser Depp hat uns tatsächlich nicht gesehen!“, jubelte sie.
Max trat neben sie und schob nachdenklich seine Brille den Nasenrücken hinauf.
„Weil er gar nicht hinter uns her ist“, sagte er schließlich.
„Aber was macht er dann hier, mitten in der Nacht?“
„Er macht genau das, was ich auch machen würde, wenn wir Sherlock nicht hätten“, antwortete Max.
Paula legt den Kopf schräg und schaute ihren Bruder gespannt an. „Nämlich?“
„Er ist auf dem Weg in die Bibliothek! Dort will er heimlich in der Familienchronik herumschnüffeln!“, erklärte Max.
„Kann der überhaupt lesen?“, gluckste Paula vergnügt.
Max schaute Paula ernst an. „Ich könnte mich dafür in den Hintern treten, dass ich diese Möglichkeit nicht vorhergesehen habe. Es gefällt mir nicht, dass Oskar hier herumspioniert!“
Paula verpasste ihrem Bruder einen aufmunternden Stoß in die Rippen. „Lass ihn nur! Wir haben Freiherrn von Schlotterfels, der ist tausendmal besser als jede blöde Chronik!“
Als sie
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