Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sie

Sie

Titel: Sie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Rider Haggard
Vom Netzwerk:
rührte – »wird auch bald tot sein, denn sein Schädel ist mittendurch gespalten, und noch viele andere von den Gefesselten sind verwundet. Es war ein wackerer Kampf, so ganz nach meinem Herzen, und ihr habt mich damit zum Freund gewonnen. Doch sage mir, du Pavian – ja, jetzt erst sehe ich, daß auch dein Gesicht voller Haare ist und ganz dem eines Pavians gleicht –, wie habt ihr jene getötet, die ein Loch im Körper haben? – Wie man mir erzählt hat, machtet ihr einen lauten Krach, und sie fielen tot um. Hat dieser Krach sie zu Boden gestreckt?«
    Ich erklärte ihm, so gut ich konnte, doch in aller Kürze – denn ich war schrecklich müde –, die Eigenschaften des Schießpulvers, und er bat mich sofort, sie durch ein praktisches Experiment an einem der Gefangenen zu illustrieren. Er meinte, auf einen mehr oder weniger käme es nicht an und es würde nicht nur ihn sehr interessieren, sondern mir auch Gelegenheit geben, mich zu rächen. Als ich ihm sagte, daß es bei uns nicht Sitte sei, sich auf so grausame Weise zu rächen, und daß wir die Rache den Hütern des Gesetzes und einer höheren Macht, von der er nichts wüßte, überließen, war er zutiefst erstaunt. Ich fügte jedoch hinzu, daß ich ihn, wenn ich wieder gesund sei, gern zu einer Jagd mitnehmen würde und daß er dann selbst ein Tier töten könne, und darüber freute er sich wie ein Kind, dem man ein neues Spielzeug verspricht.
    In diesem Augenblick öffnete Leo, belebt von einem Schluck Kognak, den Job ihm eingeflößt hatte, die Augen, und so brachen wir unsere Unterhaltung ab.
    Wir trugen Leo, der immer noch sehr schwach und halb bewußtlos war, auf ein weiches Lager, wobei uns Job und die tapfere Ustane halfen, die ich am liebsten mit einem Kuß dafür belohnt hätte, daß sie meinen Leo unter Einsatz ihres eigenen Lebens gerettet hatte, doch ich fürchtete, sie könnte es mir übelnehmen. Sodann zog ich mich, am ganzen Körper voller Beulen und Schrammen, doch erfüllt von einem Gefühl der Sicherheit, das ich seit vielen Tagen nicht empfunden hatte, in meine kleine Grabkammer zurück, versäumte jedoch nicht, bevor ich mich niederlegte, der Vorsehung von ganzem Herzen dafür zu danken, daß sie mir nicht tatsächlich zur letzten Ruhestätte geworden war, wie es ohne eine glückliche Fügung, die ich nur ihr zuschreiben kann, an jenem Abend leicht der Fall hätte sein können. Wohl nur wenige Menschen sind je dem Tode so nahe gewesen und ihm dennoch entronnen wie wir an jenem schrecklichen Tag.
    Mein Schlaf ist schon normalerweise nicht der beste, und die Träume, die mich in dieser Nacht heimsuchten, waren alles andere als angenehm. Ich sah den armen Mahomed, wie er dem glühend roten Topf zu entrinnen suchte, und im Hintergrund stand eine verschleierte Gestalt, die von Zeit zu Zeit das sie umhüllende Gewand öffnete und bald den Körper eines schönen blühenden Weibes zeigte, bald die bleichen Knochen eines grinsenden Skeletts, das die geheimnisvollen und sinnlos scheinenden Worte sprach:
    »Was lebt, trägt schon den Tod in sich, und was tot ist, kann niemals sterben, denn im Kreise des Geistes sind Tod und Leben ein Nichts. Ja, alle Dinge leben ewiglich, nur zuweilen schlafen sie und sind vergessen.«
    Als endlich der Morgen kam, fühlte ich mich so steif und zerschlagen, daß ich mich nicht dazu überwinden konnte, aufzustehen. Gegen sieben Uhr kam Job hereingehumpelt, dessen Gesicht die Farbe eines faulen Apfels hatte. Er berichtete mir, daß Leo gut geschlafen habe, doch immer noch sehr schwach sei. Zwei Stunden später erschien Billali (den Job ›Billy‹ zu nennen pflegte); er hielt eine Lampe in der Hand und stieß mit seiner riesigen Gestalt fast an die Decke der kleinen Kammer. Ich stellte mich schlafend und betrachtete durch meine halbgeschlossenen Augenlider sein hämisches, doch wohlgeschnittenes altes Gesicht. Seine Falkenaugen auf mich richtend, strich er sich seinen prächtigen weißen Bart, der jedem Londoner Barbier als Reklame sicherlich hundert Pfund im Jahr wert gewesen wäre.
    »Hm!« murmelte er leise, »wie häßlich er ist – so häßlich wie der andere schön – ein wahrer Pavian. Doch er gefällt mir. Seltsam, daß mir in meinem Alter noch wer gefallen kann. Wie sagt doch das Sprichwort – ›Mißtraue allen Männern und töte jene, denen du am meisten mißtraust; fliehe die Frauen, denn sie sind böse und werden dich am Ende vernichten‹. Ein gutes Sprichwort, vor allem der zweite Teil davon – es

Weitere Kostenlose Bücher