Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman
Das nannte. Er kam aus Harvard, war in Indien gewesen und hatte ein populäres Buch mit dem Titel Be Here Now geschrieben. Er berichtete, wie sein Guru in Indien ihm beigebracht hatte, eine »außerkörperliche Erfahrung« zu machen (ich hatte diesen Begriff oft am Schwarzen Brett gesehen): Man konzentriert sich auf seinen Atem, darauf, wie er durch die Nase ein- und austritt.
Ich dachte, ich müsse alles ausprobieren, um eine Halluzination zu bekommen, und stieg in den Tank. Irgendwann im Laufe der Übung merkte ich plötzlich - es ist schwer zu erklären -, daß ich etwas daneben war. Mit anderen Worten, bezogen darauf, wo mein Atem ein- und ausging, ein und aus, war ich nicht in der Mitte: Mein Ich war ein bißchen seitlich verschoben, um ein paar Zentimeter.
Ich dachte: »Ja, wo befindet sich denn nun das Ich? Ich weiß ja, daß alle glauben, der Sitz des Denkens sei das Gehirn, aber woher wissen sie das?« Da ich etwas darüber gelesen hatte, wußte ich freilich, daß es früher, ehe man mancherlei psychologische Untersuchungen anstellte, den Leuten durchaus nicht so klar gewesen war. Die Griechen zum Beispiel glaubten, daß der Sitz des Denkens die Leber sei. Ich überlegte: »Kann es sein, daß Kinder die Lokalisierung des Ich dadurch lernen, daß sie sehen, wie Leute sich an den Kopf greifen, wenn sie sagen: >Laß mich nachdenken Dann müßte die Vorstellung, daß das Ich da oben hinter den Augen lokalisiert ist, eine Konvention sein!« Ich dachte, wenn ich mein Ich ein paar Zentimeter zur Seite bewegen konnte, könnte ich es auch weiter bewegen. So fingen meine Halluzinationen an.
Ich versuchte es, und nach einer Weile schaffte ich es, mein Ich durch den Hals in meine Brust wandern zu lassen. Als mir ein Wassertropfen auf die Schulter fiel, spürte ich es »dort oben«, über der Stelle, wo »ich« war. Jedesmal wenn ein Tropfen herabfiel, bekam ich einen kleinen Schreck, und dann sprang mein Ich durch den Hals zurück an seinen gewöhnlichen Platz. Dann mußte ich mich wieder hinunterarbeiten. Zuerst kostete es große Mühe, jedesmal wieder hinunterzuwandern, aber dann wurde es allmählich leichter. Ich brachte es fertig, mich auf einer Seite bis hinunter zu den Lenden zu bewegen, aber das war für eine ganze Weile das Weiteste, was ich schaffte.
Als ich ein andermal im Tank war, beschloß ich, wenn ich mich bis zu meinen Lenden bewegen konnte, müßte ich es auch schaffen, ganz aus meinem Körper hinauszukommen. Auf dieses Weise brachte ich es fertig, »neben mir zu sitzen«. Es ist schwer zu erklären - ich bewegte meine Hände und planschte im Wasser herum, und obwohl ich sie nicht sehen konnte, wußte ich, wo sie waren. Aber anders als im wirklichen Leben, wo die Hände auf beiden Seiten sind und ein Stückchen weiter unten , waren beide auf einer Seite! Das Gefühl in meinen Fingern und alles andere war genau wie sonst, bloß daß mein Ich draußen saß und das alles »beobachtete«.
Von diesem Zeitpunkt an hatte ich fast jedesmal Halluzinationen und konnte mich weiter und weiter aus meinem Körper hinausbewegen. Das ging so weit, daß ich meine Hände, wenn ich sie bewegte, als etwas Mechanisches sah, das rauf und runter ging - sie waren nicht aus Fleisch und Blut; sie waren etwas Mechanisches. Aber ich konnte immer noch alles fühlen. Die Empfindungen stimmten genau mit der Bewegung überein, aber ich hatte gleichzeitig so ein Gefühl wie »das ist er«. »Ich« gelangte schließlich sogar aus dem Raum hinaus, wanderte herum und begab mich weiter fort an Orte, wo Dinge passiert waren, die ich früher, an einem anderen Tag, erlebt hatte.
Die außerkörperlichen Erlebnisse, die ich hatte, waren sehr verschiedenartig. Einmal zum Beispiel konnte ich meinen Hinterkopf »sehen«, der auf meinen Händen lag. Als ich meine Finger bewegte, konnte ich sehen, wie sie sich bewegten, aber zwischen den Fingern und dem Daumen sah ich den blauen Himmel. Das konnte natürlich nicht sein; es war eine Halluzination. Aber die Sache ist so, daß, wenn ich meine Finger bewegte, ihre Bewegung exakt mit der Bewegung übereinstimmte, die ich mir einbildete zu sehen. Die ganze Einbildung taucht auf und stimmt mit dem überein, was man empfindet und tut, ganz so, wie wenn man morgens langsam aufwacht, etwas berührt (aber nicht weiß was), und plötzlich wird einem klar, was es ist. Die ganze Einbildung taucht also plötzlich auf, nur eben, daß sie ungewohnt ist, und zwar in dem Sinn, daß man sich das Ich gewöhnlich
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