Sieben Jahre
mit kaltem Wasser aus. Ewa war von hinten an mich herangetreten und hielt mich mit dem sicheren Griff einer Krankenschwester fest. Es geht schon, sagte ich.
Im Zimmer brannte nur eine schwache Nachttischlampe. Iwona stand mit gesenktem Kopf neben der Tür. Ewa übergab mich ihr, und sie führte mich zum Bett und half mir, mich auszuziehen und mich hinzulegen. Die Situation hatte etwas Feierliches, beinahe Rituelles.
Ich lag im Bett und schloss die Augen, aber alles drehte sich in meinem Kopf, und ich öffnete sie wieder und starrte an die Decke und versuchte, mich mit den Blicken irgendwo festzuhalten. Ich hörte unbestimmte Geräusche und sah, als ich den Kopf wandte, Iwona herumgehen und das Zimmer aufräumen. Sie schob Dinge hin und her, blieb stehen, schaute sich das Resultat an, räumte wieder um. Es war aussichtslos, der Raum war so vollgestopft, dass es unmöglich war, Ordnung zu schaffen. Iwonas Bewegungen wurden immer unentschlossener. Sie nahm etwas in die Hand, verharrte einen Augenblick und legte es dann an denselben Platz zurück. Was machst du?, fragte ich. Meine Stimme klang heiser. Iwona gab keine Antwort. Sie stand nun still, mit dem Rücken zu mir. Komm ins Bett, sagte ich. Sie zog den Morgenmantel aus, löschte die Nachttischlampe und legte sich neben mich.
Ich konnte lange nicht einschlafen, und ich war sicher, dass auch Iwona nicht schlief, so still lag sie da. Ich schwebte irgendwo zwischen Wachen und Träumen. Ich sah Iwona und mich von oben im Bett liegen, ein Bild wie von jenen mittelalterlichen Grabplatten, die ich gelegentlich in Kirchen gesehen hatte, ein Mann und eine Frau, die seit Hunderten von Jahren nebeneinanderliegen mit auf der Brust verschränkten Händen, die Augen offen und mit heiteren Gesichtern. Iwona sah sehr schön aus. Ich wollte sie umarmen, aber ich konnte mich nicht bewegen.
Als ich erwachte, spürte ich sofort, dass auch Iwona wach war. Sie lag da, als habe sie sich die ganze Nacht nicht bewegt. Ich schämte mich für das, was geschehen war, aber zum ersten Mal hatte ich nicht den Impuls zu fliehen. Ich schmiegte mich an ihren schweren Körper, verbarg mein Gesicht an ihrer Brust wie ein Kind an der Brust seiner Mutter. Sie streichelte mein Haar, und so lagen wir lange im Bett, ohne dass einer etwas sagte.
Irgendwann stand Iwona auf. Sie rutschte vorsichtig unter mir hervor und nahm ihre Kleider von einem Stuhl und verließ das Zimmer. Ich döste noch einmal ein und erwachte erst wieder, als Iwona mich sanft an der Schulter berührte. Ich ging ins Bad und sie in die Küche. Ich schaute auf die Uhr. Es war sieben.
In der Wohnung war es sehr still. Ich duschte und ging dann in die Küche, wo Iwona schon Kaffee aufgesetzt hatte. Sie stellte Brot, Margarine, Wurst und in Scheiben geschnittenen Käse auf den Tisch. Ihre Bewegungen hatten etwas Scheues, es war, als führte sie sie nie ganz zu Ende. Ich hatte mich an den Tisch gesetzt. Iwona setzte sich mir gegenüber und stand noch einmal auf, als der Kaffee fertig war. Milch?, fragte sie. Ich glaube, es war ihr erstes Wort, seit ich gestern Nacht angekommen war.
Ich konnte nichts essen, aber Iwona aß mit erstaunlichem Appetit und machte sich dann noch zwei Brote, die sie in Plastikfolie einschlug und in eine Tüte steckte. Es kam mir vor, als seien wir ein altes Paar, das sich so gut kennt, dass es sich nichts mehr zu sagen braucht. Iwona sagte, sie müsse zur Arbeit, und ich folgte ihr aus der Wohnung und aus dem Haus. Der Himmel war klar, aber es war nicht kalt. Die Bushaltestelle war nicht weit vom Haus entfernt. Iwona stellte sich zu den anderen Wartenden. Geh nur, sagte sie, aber ich blieb neben ihr stehen. Nach ein paar Minuten sah ich den Bus am Ende der Straße um die Ecke biegen und auf uns zukommen. Iwona schien darauf zu warten, dass ich etwas sage, und für einen Moment war ich versucht, sie zurückzuhalten, aber dann tat ich es nicht. Ich sagte, ich müsse meinen Wagen holen, ich hätte ihn gestern stehenlassen. Bevor Iwona einstieg, küsste sie mich flüchtig auf den Mund und wandte sich schnell ab. Sie fand einen Sitzplatz am Fenster, und wir schauten uns durch die Scheibe an. Und plötzlich war ich mir ziemlich sicher, dass Ewa recht gehabt hatte, dass Iwonas Leben – ärmlich und anstrengend und entbehrungsreich – glücklicher gewesen war als meines.
Der Bus musste warten, bis er sich wieder in den Verkehr eingliedern konnte. Als er endlich losfuhr, hob Iwona ganz kurz eine Hand und winkte
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