Sieben Jahre
wenn ihr nach Hause kommt.
Die Galerie fing an sich zu leeren, aber es dauerte lange, bis die letzten Gäste gegangen waren. Am Schluss war außer Antje und mir nur noch ein älterer Herr da, den sie mir nicht vorstellte. Die beiden standen nebeneinander vor einem der Bilder und redeten so leise, dass ich mich instinktiv von ihnen entfernte. Ich blätterte durch die Preisliste und schaute immer wieder zu dem Paar hinüber. Schließlich umarmte Antje den Mann, küsste ihn auf die Stirn und brachte ihn zur Tür. Dann kam sie zu mir. Das war Georg, sagte sie, ich war mal verrückt nach ihm. Sie lachte. Schwer zu verstehen, nicht wahr? Das war vor hundert Jahren. Sie ging zur Theke und kam mit zwei Gläsern Rotwein zurück. Sie hielt mir eines hin, aber ich schüttelte den Kopf. Ich trinke nicht mehr. Sie lächelte skeptisch, leerte ihr Glas in einem Zug und sagte, dann bin ich bereit.
Der Galerist hatte Antje den Schlüssel dagelassen. Sie drückte endlos auf den Lichtschaltern herum, bis endlich alle Lampen gelöscht waren. Draußen hängte sie sich bei mir ein und fragte, ob es weit sei bis zum Wagen. Es schneite noch immer ein wenig. Was für ein Wetter, sagte sie. Das nächste Mal treffen wir uns wieder in Marseille. Sie fragte mich, ob mir die Bilder gefielen. Du bist zivilisierter geworden, sagte ich. Subtiler, hoffe ich, sagte Antje. Ich verstehe nichts von Kunst, sagte ich, aber im Gegensatz zu früher kann ich mir jetzt vorstellen, eines deiner Bilder zu Hause aufzuhängen. Antje sagte, sie sei sich nicht sicher, ob das ein Kompliment sei.
Ich fragte sie, ob sie Sonjas Eltern nicht zur Vernissage eingeladen habe? Ich hätte gedacht, sie kämen. Antje gab keine Antwort. Wenn du sie besuchen willst, leihe ich dir gern den Wagen, sagte ich, nach Starnberg ist es ja nur ein Katzensprung. Antje schwieg immer noch. Erst als wir beim Auto angekommen waren, sagte sie, sie habe ja kaum Zeit und sie sei zu müde, um in der Gegend herumzufahren. Die Vorbereitung der Ausstellung sei ein furchtbarer Stress gewesen. Ich fragte sie, ob irgendetwas nicht stimme. Antje zögerte. Nein, sagte sie, oder doch. Sie sind alt geworden und engherzig. Das waren sie doch schon immer, sagte ich. Antje schüttelte den Kopf. Natürlich seien Sonjas Eltern immer konservativ gewesen, sagte sie, aber ihr Vater habe früher ein echtes Interesse für Kunst gehabt. Sie habe sich oft mit ihm darüber unterhalten. In den letzten Jahren habe er sich dann immer mehr verschlossen, vielleicht sei es eine Frage des Alters. Er könne nichts Neues mehr gelten lassen und er sei bitter geworden. Er muss ja nicht in allem meiner Meinung sein, sagte sie, aber er sollte sich wenigstens anhören, was ich zu sagen habe. Das letzte Mal als wir uns sahen, hatten wir einen Riesenstreit über Gursky. Seither habe ich keine Lust mehr, ihn zu sehen.
Ich fragte mich, ob Antje noch andere Gründe hatte, Sonjas Vater zu meiden. Ich hatte oft den Verdacht gehabt, dass sie irgendwann eine Affäre mit ihm gehabt hatte. Als ich Sonja einmal danach fragte, hatte sie empört reagiert und gesagt, ihre Eltern führten eine harmonische Ehe. Wie wir, hatte ich gedacht und nichts weiter gesagt.
Obwohl nicht mehr viel Verkehr war, brauchten wir lange, um aus der Stadt herauszukommen. Antje schwieg. Ich schaute zu ihr hinüber und sah, dass sie die Augen geschlossen hatte. Ich dachte schon, sie wäre eingeschlafen, als sie sagte, sie habe sich manchmal gefragt, ob sie mir damals einen Gefallen getan habe. Wie meinst du das? Womit? Sonja war unsicher, sagte Antje. Wir schwiegen eine Weile, dann sagte Antje, Sonja sei sich nicht sicher gewesen, ob wir zueinander passten. Ob ich gut genug für sie bin? Du hattest Potenzial, sagte Antje, ich glaube, das war das Wort, das sie damals benutzt hat. Der andere ... Rüdiger, sagte ich. Ja, Rüdiger, der war lustig, aber viel zu lasch. Und dann war da noch einer. Sie dachte nach. Der nachher die Musikerin geheiratet hat. Ferdi?, fragte ich. Kann sein, sagte Antje.
Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Sonja sich jemals für Ferdi interessiert hatte. Das dauerte nicht lange, sagte Antje. Sie hat etwas mit ihm gehabt? Wir standen an einer Ampel, und ich schaute Antje an. Sie lächelte entschuldigend. Ich glaube nicht, dass sie mit ihm geschlafen hat, wenn du das meinst. Hat sie dir das nie erzählt?
Sonja hatte nie viel erzählt. Es war mir oft gewesen, als habe sie vor unserer Beziehung kein Leben geführt oder als habe dieses
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