Sieben Leben
gehören zu den
Anteilseignern. Aber wenn Sie kein Interesse haben…“
„Oh doch“, sagte ich. „Klar habe ich Interesse. Personalbereich?
Prima!“
Die Ohren nickten zustimmend.
Was auf den ersten Blick wie eine Schnapsidee aussah, war
auf den zweiten Blick gar nicht so abwegig. Welche Disziplin, mal abgesehen von
Marketing, lag denn näher als Personalwesen für jemanden, der nur über geringe
theoretische Kenntnisse verfügte? Wohl kaum Controlling oder Logistik, da mußte
man rechnen können wie ein Vulkanier und wissen, was eine
Deckungsbeitragsrechnung war oder eine Lieferwegeoptimierung. Und ein Mann der
Produktion war ich schon gleich gar nicht. Also Personalabteilung. Warum eigentlich
nicht?
Schade, dass ich nicht Rainer hieß. Dann wäre mir die
Entscheidung leicht gefallen. Einfach ein ‘M.’, und ein paar Bände Rilke
unauffällig neben dem Personalhandbuch ins Bücherbord plaziert. Das wäre genau
die intellektuelle Note, die zu mir gepaßt hätte.
Aber den Vornamen mußte ich wohl als gesetzt betrachten. Ich
sinnierte also eine Weile über die Vor- und Nachteile von verschiedenen
Buchstaben-Kombinationen, bis es mir wie Schuppen von den Augen fiel. Eine
weitere Alliterationen, das war die Lösung! Natürlich: Andreas A. Aschberg,
kurz ‚AAA‘.
Triple-A, phantastisch! Glaubwürdigkeit, Bonität, Vertrauen.
Das waren meine Attribute.
Ich griff nach meiner To-Do-Liste. Erstens: Neue
Visitenkarten bestellen. Zweitens: Gedichtband von Rilke besorgen! Auch ohne
einen Rainer M. fand ich die Idee
gut, meinen kraftstrotzenden Namenszug mit etwas feingeistiger Nahrung im
Bücherregal abzurunden.
Nach einer Weile fügte ich einen dritten Eintrag hinzu:
Neues Türschild.
Ich war ausgesprochen zufrieden mit mir. Ich war noch keine
Stunde im Büro und hatte doch das Gefühl, in dieser Zeit schon mehr für meine
Karriere getan zu haben, als in der ganzen letzten Woche.
Es klopfte.
"Bitte?" Ich war leicht irritiert. Sabine wußte
doch genau, dass ich zu tun hatte. Es mußte etwas wichtiges sein, wenn sie mich
trotzdem störte.
"Ihr Besuch ist da, Herr Aschberg", kündigte
Sabine förmlich und eine Spur unterkühlt an. Sie mochte es nicht, wenn ich die Tür
zum Vorzimmer zu machte und sie damit quasi von wichtigen Vorgängen ausschloß.
Wahrscheinlich Angst vor Kontrollverlust. Keine Sekretärin mochte es, wenn der
Chef eigenmächtige Entscheidungen traf.
In der Tür stand ein tiefgebräunter Mann. Glattrasiert mit
pechschwarzem Haar und südländischen Gesichtszügen. Möglicherweise Araber, und
für einen Südländer von ungewöhnlich großer Statur, fast so groß wie ich. Er
trug einen geschmackvollen sandfarbenen Einreiher, der seine geschmeidige Figur
unaufdringlich zur Geltung brachte. Vielleicht lag es an der straffen
Körperhaltung, auf jeden Fall versprühte der Mann schon im Stehen eine
beeindruckende Vitalität.
Da konnte ich trotz Tripple-A nicht mithalten. Ich warf mir
schnell mein Sakko über, um nicht allzu hemdsärmelig zu wirken. Als Personaler
war seriöse Ausstrahlung oberstes Gebot.
Ich schenkte dem Mann ein gewinnendes Lächeln.
"Ah ja, natürlich! Kommen Sie doch herein." Ich
reichte dem Mann zur Begrüßung die Hand. Wer zum Teufel war das?
Egal. Ohne mir das Geringste anmerken zu lassen, dirigierte
ich meinen Gast mit einladender Geste zum Besprechungstisch hinüber. Ich
deutete auf einen Chromschwinger, damit der Bursche erst mal Platz nahm.
"Freut mich sehr, Sie kennenzulernen, Herr ... , ähm...
Kaffee?!"
"Gerne". Eine feste, angenehme Stimme.
Sabine wandte sich ab, um den Kaffee zu holen.
"Warten Sie, Sabine, das erledige ich selbst",
wies ich unsere Sekretärin an, die verdutzt die Augenbrauen hob. Was gab es
denn da zu schauen?! Die Frau tat gerade so, als wäre ich nicht in der Lage,
uns selbst einen Kaffee zu holen. Wenn wir allein waren, war das etwas anderes.
Da konnte Sabine ruhig Kaffee machen, ich konnte mich schließlich nicht um
alles selber kümmern. Aber wenn Gäste dabei waren? Wo kamen wir denn da hin? Wir pflegten hier schließlich einen modernen
und kooperativen Führungsstil, und das sollte man ruhig auch sehen.
Vor allem aber wollte ich ein paar Sekunden mit Sabine
allein sein, um außer Hörweite zu klären, was hier eigentlich vorging.
„Wer zum Teufel ist das?“, stellte ich Sabine die Frage, die
mich schon die ganze Zeit umtrieb.
"Das ist der Bewerber", beschied mir meine
Sekretärin schnippisch, als wäre damit alles
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