Sieben Leben
geklärt.
"Was denn für ein Bewerber?" Ich hatte eine
To-Do-Liste so lang wie unser neues Sparprogramm. Ich konnte nicht jeden Termin
im Kopf haben.
"Der neue Projektleiter", zischte Sabine.
"Sie wissen doch, für das Großprojekt bei Dr. Meierfeld."
"Meierfeld. Natürlich". Jetzt war ich wieder im
Bilde. Dr. August Meierfeld. Um genau zu sein: Dr. August F. Meierfeld. Dieser
Angeber: Doktor und Initialen!
Meierfeld war unser Technik-Vorstand. Super eilig, super wichtig. Wie immer.
Irgendwer in seinem Bereich hatte bei der Planung des neuen Großauftrags ganz
vergessen, dass man ja auch einen Projektleiter brauchte.
Ich drückte den erstbesten Knopf an der Kaffeemaschine. Ich
hatte mir das verdammte Ding noch nie näher angeschaut. Ein riesiges Display
und duzende Knöpfe. Da hätte ich ja gleich in die Technik gehen können, anstatt
in den Personalbereich. Das Bedienfeld hatte Ähnlichkeit mit dem NASA-Leitstand
in Fort Worth. Nicht das ich schon jemals in Fort Worth gewesen wäre, aber so
stellte ich es mir dort vor.
Die Details zu dem neuen Großauftrag waren noch geheim, aber
auf jeden Fall mußte als Projektleiter ein Schwergewicht von internationalem
Format her. Etwas anderes kam für Dr. A. F. überhaupt nicht in Betracht. Intern hatten wir niemanden abkömmlich für so
einen Job, also mußte eben jemand von extern geholt werden.
Kein Kaffee. Ich probierte weitere Knöpfe und fragte mich,
wo wir wohl Milch und Zucker aufbewahrten. Wer mußte es jetzt wieder richten?!
Natürlich die Personalabteilung. Aber wir würden dem Meierfeld schon zeigen,
was wir drauf hatten. Vielleicht kam er dann auf die Idee, den Rotstift erst
mal woanders anzusetzen. Im Controlling zum Beispiel, oder vielleicht sogar bei
seinen eigenen Leuten. Gegen den Gemeinkostenblock in der Technik nahmen sich
die Sachkosten im Personalbereich aus wie ein Almosen. Selbst wenn wir die
gesamte Abteilung mit Chromschwingern überschwemmt hätten.
Ich bedeutete Sabine, dass sie sich endlich um den Kaffee
kümmern sollte. Ich hatte schließlich ein wichtiges Gespräch vor mir und wollte
meinen Gast nicht länger warten lassen. Auf dem Weg zurück in mein Büro
schnappte ich mir mit einer lässigen Bewegung die Bewerbungsmappe von Sabines
Schreibtisch und warf einen unauffälligen Blick auf die Daten.
"Also, Herr Abodel Sarif", strahlte ich, während
ich mich in die Lederpolster gleiten ließ, "wie wäre es, wenn wir uns erst
mal ein bißchen näher kennenlernen?!"
"Abu del Sarif. Gerne."
Oh je, ein Besserwisser. Das konnte ja heiter werden.
"Sie wissen, es geht um die Leitung eines großen
Projektes", startete ich. "Wir gehören zu den renommiertesten
internationalen Anlagenbauern und treten prinzipiell als Generalunternehmer
auf. Alles aus einer Hand, das ist unser Motto."
"Da gilt es, viele hundert Gewerke gleichzeitig zu
koordinieren", fuhr ich fort. "Wie sind denn Ihre Erfahrungen auf
diesem Gebiet?!"
Abu dul Suruf lächelte freundlich. "Oh, ich bin es
gewohnt, große Projekte zu leiten. Schon mein Vater war in diesem Geschäft
tätig, und ich bin quasi auf Baustellen groß geworden."
"Mein Vater legte großen Wert darauf, dass ich mir zu
allen Aufgaben und Vorgängen eine eigene Meinung bilden konnte, und so achtete
er darauf, dass ich eine Tätigkeit immer erst selber ausführte, bevor ich sie
leitete oder überwachte."
"Das ist aber ganz beachtlich", gab ich zu bedenken.
"Erfordern die vielen unterschiedlichen Techniken, die heute eingesetzt
werden, nicht eine unglaubliche Vielfalt an Spezialkenntnissen?" Mal
sehen, wie er mir das erklärte. Einen detailverliebten Spezialisten konnten wir
hier nicht brauchen. Wir suchten einen Projekt-Manager, der die
Gesamtverantwortung für ein dreistelliges Millionen-Budget schulterte.
Wieder ließ mich mein Gegenüber in den Genuß seines
entwaffnenden Lächelns kommen. "Ich wollte nur zum Ausdruck bringen, dass
meine Ausbildung bereits sehr früh begann. Als ich an die Universität kam,
hatte ich von vielen Dingen, die dort gelehrt wurden, bereits eine praktische
Vorstellung. Das hat mir meine Studienzeit sehr erleichtert. Später, mit
wachsender Verantwortung, wuchs auch die Notwendigkeit, sich mehr mit
grundsätzlichen Fragestellungen zu befassen, und ..."
"Was haben Sie denn studiert?", harkte ich ein. Da
war er mir doch zu eilig drüber hinweggegangen. Es war eine meiner Stärken,
Lücken im Lebenslauf eines Gesprächspartners aufzuspüren, die andere gerne
übersahen.
"Ich habe in
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