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Siebenschön

Siebenschön

Titel: Siebenschön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Winter
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ihm nicht, das war offensichtlich. Aber sie war zu anständig, weiter in ihn zu dringen. Stattdessen wandte sie sich ab und ging zur Tür, wo sie um ein Haar mit dem Briefträger zusammengestoßen wäre. Ein junger Farbiger an diesem Tag. Mindestens eins neunzig groß, mit Basecap. Dorn hatte den Mann noch nie gesehen.
    »Guten Morgen.«
    »Morgen ist gut«, lachte Doris. »Mein Magen behauptet, dass es mindestens halb eins sein muss.«
    Der Bote grinste. »Stimmt, aber das mit dem Morgen ist so drin.«
    Sie nickte ihm zu. »Geben Sie ruhig her«, sagte sie und nahm zwei Kataloge und einen Stapel Briefe entgegen. »Ich kümmere mich drum.«
    »Schönen Tag noch«, entgegnete der Bote und hastete eilig weiter.
    Dorns Finger fuhren über die Kante des Verkaufstischs. »Und?«, fragte er, betont beiläufig. »Was für mich dabei?«
    Doris blätterte mit routinierter Hand die Sendungen durch. »Für wen denn sonst?«, gab sie zerstreut zurück.
    »Ich meine privat.«
    Sie sah hoch.
    »Ein Brief oder so …«
    Gute Formulierung, lobte Dorns Verstand. Wenn auch verdammt euphemistisch.
    »Erwarten Sie irgendwas Bestimmtes?«
    »Nein.«
    Es ist nur ein Spiel, und es macht mir einzig und allein deshalb Angst, weil ich die Regeln nicht kenne.
    Das ist alles.
    »Die Mahnung an Löbel ist zurückgekommen«, erklärte Doris mit grimmiger Miene. »Aber wenn er glaubt, dass er sich auf diese Weise aus seiner Verantwortung steh…«
    Sie hielt erstaunt inne, als Dorn neben sie trat und ihr den Briefstapel aus der Hand nahm.
    »Darf ich?« Er hoffte inständig, dass sein Lächeln harmlos wirkte.
    »Klar.«
    Seine Augen überflogen die Sendungen. Fünf Kuverts. Drei der Umschläge sahen nach Rechnungen aus. Einer nach einem Schreiben vom Finanzamt. Dazu der retournierte Brief, von dem seine Angestellte gerade gesprochen hatte. Der Rest war Werbung.
    Dorn trat einen Schritt zurück. Am liebsten hätte er geschrien vor Erleichterung.
    »Habe ich irgendwas falsch gemacht?«, fragte Doris, die seine Miene missdeutete.
    »Sie?« Er hustete trocken. »Um Gottes willen, nein.«
    Seine Augen klebten noch immer an den Kuverts fest. Alle waren an »Clocks for Life« adressiert, der Name seines Geschäfts. Zweimal stand zusätzlich »z.   H. Herrn Dorn« unter dem Firmennamen. Sonst nichts. Kein Vorname. Kein …
    »Augenblick«, rief Doris, die sich inzwischen der beiden Kataloge angenommen hatte, die ebenfalls in der Post gewesen waren. »Hier ist noch ein Brief! War zwischen die Werbung gerutscht …«
    Dorn spürte, wie er blass wurde.
    »Bitte schön.« Sie reichte ihm einen weiteren Umschlag.
    Die Adresse war von Hand geschrieben. Die Schrift wirkte altmodisch.
    Dorns Finger zitterten, als er zögerlich nach dem Kuvert griff. Dabei brauchte er schon von Berufs wegen eine ruhige Hand. Er bemerkte, wie Doris die Stirn runzelte, doch auch dieses Mal stellte sie keine Fragen. Sie war ein äußerst feinfühliger Mensch und hatte längst bemerkt, dass ihn etwas bedrückte, über das er nicht sprechen wollte. Also ließ sie ihn einfach in Ruhe. Etwas, das er schon immer an ihr geschätzt hatte.
    Als er den Umschlag allerdings an die Nase hob, um daran zu riechen, zog sie doch die Augenbrauen hoch. »Soll ich vielleicht lieber noch bleiben?«
    »Wie bitte?« Er blickte irritiert auf. Dann verstand er. »Ach so … Nein, entschuldigen Sie. Gehen Sie ruhig. Es ist alles in bester Ordnung.«
    Sie zögerte.
    »Ehrlich«, legte er nach. »Tut mir leid, dass ich so ein Nervenbündel bin. Das dürfen Sie gar nicht ernst nehmen.«
    Ihr Kinn wies auf den Umschlag. »Was Unangenehmes?«
    »Nein, ich glaube nicht.«
    Immerhin riecht der Umschlag nach gar nichts …
    Er riss das Kuvert vor ihren Augen auf und entnahm ihm eine auf wertvolles Büttenpapier gedruckte Todesanzeige. »Ein ehemaliger Klassenkamerad von mir ist gestorben«, erklärte er, wobei er krampfhaft versuchte, sich die neuerliche Erleichterung nicht allzu deutlich anmerken zu lassen.
    Doris bedachte ihn mit einem mitfühlenden Blick. »Tut mir leid.«
    Er nickte nur.
    »Ein Todesfall, den Sie erwartet haben?«
    Nein, hatte er nicht. Aber es war eine Möglichkeit, sie abzulenken. Also nickte er wieder.
    »Ich sag’s ja immer«, murmelte sie ein wenig verlegen. »Die beste Krankheit taugt nichts.«
    Dorn lächelte ihr zu. »So ist es.«
    »Soll ich unter diesen Umständen vielleicht doch lieber noch …«
    »Nein«, unterbrach er sie, und endlich fand er auch zu dem lockeren Umgangston

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