Silberband 089 - Sie suchen Menschen
Empfindungen wie eine gewaltige Woge über Smolk zusammen.
Er konnte sich nicht dagegen wehren. Vielmehr fühlte er sich plötzlich auf eine nie gekannte Weise mit den Tergos verbunden. Er badete mit ihnen, er fühlte Schmerzen und Verwunderung, er wusste, dass sie alle eine einzige Rasse darstellten, dass sie alle Teile einer einzigen Schöpfung waren.
Selbst diese primitiven Wesen, die jetzt in Scharen das Wasser verließen und sich von der Sonne trocknen ließen, besaßen Seelen. So wie er. Sie hatten ihre Seele schon immer – er hingegen musste sie, um sie vollkommen besitzen zu können, erst entschlüsseln.
Aber die Wärme der Erkenntnis, die sich wie ein Medikament in seinem Körper ausbreitete, ließ ihn fühlen, dass er sich auf dem richtigen Weg befand. Die Seele erfüllte ihn, füllte ihn aus, zwang sein Denken und seine Empfindungen in den Bereich des Menschseins – verdrängt wurde die Empfindung, eine Züchtung zu sein, ein Roboter aus Fleisch und Blut und einer Reihe von Werkstoffen, die den Mechanismus des Körpers für diese Welt fast unschlagbar gemacht hatten.
Ich werde ein Mensch!, erkannte Herthor Smolk in fast unirdischer Heiterkeit. Und ich werde zu ihnen gehören, zu den Menschen. Und ein wenig auch zu den Tergos dort.
Fast vierzig Grad Celsius im Schatten trockneten die schuppige Haut der Tergos binnen kurzer Zeit aus. Der Zyklus hatte begonnen, weniger als zehn Prozent des langen Upith-Jahres gehörten jetzt den Tergos. Sie würden ihr aggressives, schnelles Leben führen. Jagen, fressen, sich paaren, sie würden alles das nachholen, was sie während des langen Erstarrungsschlafes versäumt hatten. Herthor war klar, dass die Eingeborenen der biologischen Notwendigkeit unterworfen waren, alles in dieser kurzen Zeitspanne unterzubringen, was andere Lebewesen in einem weitaus längeren Leben tun konnten. Als er sah, wie ein massig gebautes Männchen mit schnellen Bewegungen auf ein Weibchen zurannte, begriff er die anderen Stationen.
Tänze, Jagden, Paarung und Eiablage, Waffenherstellung, Orgien des wilden Lebens … Mit Betroffenheit erkannte Herthor, dass ihm als Multi-Cyborg niemals das Glück beschieden sein würde, ein Kind zu zeugen.
Er konnte alles. Er, Herthor Smolk, endlich auf dem Weg zum Status eines echten und wahren Menschen, hatte Tausende Gefahren überstanden. Er hatte Bodenschätze entdeckt und mitgeholfen, die Siedlung zu errichten, war ein Wesen, dessen Leben auf diesen Planeten zugeschnitten war. Jetzt sollte er für das NEI eingesetzt werden. Und, er spürte die Veränderung, die in ihm stattfand. Er war ratlos … Er würde sich heute, wenn es dunkel geworden war, mit Zettion darüber unterhalten.
Warum sollten sie für das NEI arbeiten, warum Upith verlassen, ihre Heimat? Die Heimat der Mensch werdenden Mucys und der barbarischen, rasend intensiv lebenden Eingeborenen.
»He, verliebe dich nicht in das Bild!«, sagte Zettion leise, aber scharf.
»Keine Sorge. Ich werde jede Einzelheit speichern. Wir sind nicht mehr allein auf Upith! Der Planet hat jetzt zwei Partnervölker, die sich gegenseitig ergänzen können.«
»Sag mal«, brummte Meisker, »was soll dieses Gerede eigentlich?«
Die Tergos waren vollständig erwacht. Die angreifenden Saurier sahen sich plötzlich schnellen und entschlossenen Gegnern ausgeliefert. Zielsicher geschleuderte Speere zischten durch die Luft, Steine zertrümmerten Schädel oder Schwingknochen der Angreifer. Manche Tergos sprangen in die Luft, wichen den spitzen Schnäbeln und den peitschenden Schwingen aus und schlugen mit langstieligen Beilen zu. Kreischend und flatternd stürzten die Tiere ins Wasser und auf das schlammbedeckte Ufer. Die Eingeborenen rissen sie mit bloßen Klauen auseinander und begannen, das Fleisch roh hinunterzuschlingen. Überall dort, wo ein Raubsaurier getötet worden war, begann eine geräuschvolle Fressorgie.
»Sieh dir das an!« Herthor vergaß, die Frage zu beantworten. »Sie fressen wie die Wahnsinnigen.«
»Das war zu erwarten. Was redest du für unkontrolliertes Zeug, Partner?«
Herthor begriff und winkte ab. Er zeichnete wieder auf. »Später reden wir darüber«, murmelte er.
Die ersten gesättigten Tergos rannten vom Ufer fort in den Wald hinein. Von dort erklangen johlende und kreischende Schreie. Pärchen fanden sich zusammen.
Zettion schlug nach einer Riesenlibelle. »Komm, Partner, fliegen wir hinüber zum anderen Ufer. Sie werden schon das Raumschiff startklar
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