Silberglocken
hat ihre Mutter natürlich umsonst geheiratet.”
“Ah, ich verstehe. Sie war sozusagen ein Sonderangebot.”
Mackenzie runzelte die Stirn. “Ich finde das nicht sehr komisch. Carrie hat mir erzählt, dass ihre Mutter jetzt schon seit elf Jahren sehr glücklich verheiratet ist. Dieser Jason ist ihre große Liebe. Jedes Jahr, zum Jahrestag der ersten Verabredung, schickt sie ihrer Tochter aus Dankbarkeit einen großen Blumenstrauß -- derselben Tochter, die sie damals mit zwei Wochen Hausarrest bestraft hat, und die sich trotzdem auf die Suche nach dem Traummann für ihre Mutter machte.”
Die Geigen waren verstummt und von einem Jubelchor abgelöst worden. Philip war versucht, zum Dirigentenstab zu greifen, aber er hielt sich vornehm zurück. Seine Tochter war in absoluter Hochform.
“Also”, schloss sie. “Willst du jetzt mit Carrie ausgehen oder nicht? Sie ist wirklich genau die richtige Frau für dich, Dad. Ich weiß doch genau, welche Leute du magst und welche nicht, und sie wird dir gefallen. Ganz bestimmt. Sie ist sehr nett und lustig.”
“Nein!”
“Ich weiß, ich habe nie ein Wort gesagt, aber ich hätte so furchtbar gern noch ein kleines Geschwisterchen. Carrie hat auch noch zwei Halbbrüder bekommen.”
“Nein, danke.” Das Kind fing an, ihm Angst zu machen. Nicht nur sollte er mit einer Frau ausgehen, an die er sich praktisch gar nicht mehr erinnern konnte, sondern jetzt sollte er auch noch Kinder mit ihr zeugen.
“Du sollst es auch nicht tun, nur weil ich dich darum gebeten habe. Tu es für dich. Tu es, bevor dein Herz versteinert und du ein alter, verknöcherter Mann bist.”
“He, so weit ist es noch lange nicht. Ich habe mindestens noch vierzig Jahre vor mir.”
“Vielleicht.” Mackenzie erhob sich. “Aber wie werden diese Jahre aussehen?” Sie schritt hocherhobenen Hauptes und in königlicher Haltung aus dem Wohnzimmer.
Philip musste lachen. Er öffnete seinen Aktenkoffer und nahm eine Akte heraus. Aber dann zögerte er. Es war eine Sache, wenn seine Tochter als große Tragödin agierte, aber wenn eine erwachsene Frau ihr solch einen Unsinn in den Kopf setzte, dann musste er das unterbinden. Er konnte sich so gut wie nicht an diese Carrie Weston erinnern, aber es schien, als wäre sie doch ziemlich an ihm interessiert, wenn er es recht bedachte. Vielleicht sollte er einmal ein ernstes Wort mit ihr reden. Wenn sie seine Tochter benutzte, um sich an ihn heranzumachen, dann konnte sie sich auf etwas gefasst machen.
Entschlossen klappte er seinen Diplomatenkoffer zu und ging zur Tür.
“Wo willst du hin?” rief Mackenzie ihm nach.
“Zu deiner Freundin”, schnappte er.
“Zu Carrie?” fragte seine Tochter aufgeregt. “Du wirst es nicht bereuen, Dad, das verspreche ich dir. Sie ist wirklich nett. Wenn du dich noch nicht entschieden hast, wohin du mit ihr zum Essen gehen willst, schlage ich Henry’s vor. Das ist in einer Seitenstraße vom Broadway, da, wo wir an meinem Geburtstag waren.”
Philip verzichtete darauf, seine Tochter darüber zu informieren, dass er keineswegs eine Einladung zum Essen im Sinne hatte.
Als er aus der Tür trat, stieß er fast mit der alten Schrulle mit der Kristallkugel zusammen.
“Guten Abend, Mr. Lark”, grüßte ihn Madam Fredrick mit einem wissenden Lächeln. Sie sah ihn an, dann ihre Kristallkugel, und ihr Lächeln wurde breiter.
“Bleiben Sie mir damit vom Leib”, knurrte er. “Ich wünsche nicht, dass Sie meine Tochter mit diesem Hokuspokus belästigen. Haben wir uns verstanden?”
“Wie Sie wünschen”, erwiderte die alte Dame würdevoll und rauschte wie eine Diva an ihm vorbei. Philip sah ihr nach. Sie erinnerte ihn eindeutig an seine Tochter. Er seufzte resigniert und ging weiter zur Treppe. In seiner Ungeduld nahm er immer zwei Stufen auf einmal.
Carrie öffnete sofort.
“Mr. Lark.” Ihre Augen wurden groß und zeigten genau das richtige Maß an Überraschung, als hätte sie die letzte Viertelstunde vor dem Spiegel verbracht, um diesen Gesichtsausdruck zu üben.
“Wir beide müssen uns unterhalten.”
“Jetzt?” fragte sie.
“Jetzt.”
3. KAPITEL
C arrie Weston war ohne Zweifel reizend. Warum ihm das nicht schon bei ihrem ersten Aufeinandertreffen im Lift aufgefallen war, war Philip ein Rätsel. Ihre Augen waren von einem klaren Blau, einem Aquamarinblau fast, und ihr Blick war sehr intensiv und erwartungsvoll. Sie wirkte offen und warmherzig.
Philip brauchte eine Weile, bis ihm wieder einfiel, dass er ja
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