Silver Linings (German Edition)
oben, damit ich mir die erste dick laminierte Seite ansehen kann. Ich lese alles über die vier Hauptwolkenformen – Stratus, Nimbus, Cumulus und Cirrus –, ich schaue mir die vielen schönen Bilder von den verschiedenen Unterarten der vier Gruppen an, und irgendwie liegen Tiffany und ich schließlich auf dem Rücken in der Mitte von genau dem Fußballplatz, auf dem ich als Kind gespielt habe. Wir blicken hinauf zum Himmel, der eine monotone wintergraue Fläche ist, aber Tiffany sagt, wenn wir lange genug warten, löst sich vielleicht eine Form heraus, und dann können wir die einzelne Wolke anhand meiner neuen Wolkentafel für den Himmelsbeobachter identifizieren. Wir liegen sehr lange da auf dem gefrorenen Boden und warten, doch alles, was wir am Himmel sehen, ist diese geschlossene graue Decke, die sich laut meiner neuen Wolkentafel Nimbostratus nennt – «eine graue Wolkenmasse, aus der weitflächig und anhaltend Regen oder Schnee fällt».
Irgendwie liegt Tiffanys Kopf nach einer Weile auf meiner Brust, und irgendwie umfasst mein Arm ihre Schultern, sodass ich ihren Körper enger an meinen ziehe. Wir zittern zusammen allein auf dem Spielfeld, und es kommt mir wie Stunden vor. Als es zu schneien beginnt, fallen dicke, schnelle Flocken. Im Nu wird der Platz weiß, und auf einmal sagt Tiffany etwas ganz Seltsames zu mir. Sie sagt: «Ich brauche dich, Pat Peoples. Ich brauche dich so, verdammt noch mal», und dann fängt sie an, heiße Tränen auf meine Haut zu weinen, während sie sanft meinen Hals küsst und schnieft.
Es ist seltsam, dass sie das sagt, so weit weg von dem «Ich liebe dich» einer herkömmlichen Frau und doch wahrscheinlich umso wahrer. Es ist ein gutes Gefühl, Tiffany im Arm zu haben, und ich denke an das, was meine Mutter zu mir gesagt hat, als ich meine Freundin loswerden wollte, indem ich sie in den Diner einlud. Mom sagte: «Du brauchst Freunde, Pat. Jeder braucht Freunde.»
Ich denke auch daran, dass Tiffany mich über Wochen hinweg belogen hat. Ich denke an die schreckliche Geschichte, die Ronnie mir erzählt hat, warum Tiffany ihren Job verloren hat, und daran, was in ihrem letzten Brief gestanden hat. Ich denke daran, wie eigenartig meine Freundschaft mit Tiffany bisher war – aber dann denke ich, dass niemand anders als Tiffany auch nur annähernd verstehen kann, wie ich mich fühle, nachdem ich Nikki für immer verloren habe. Ich denke daran, dass die Auszeit endgültig vorbei ist und dass ich, obwohl Nikki unwiederbringlich fort ist, trotzdem eine Frau in den Armen halte, die ungeheuer gelitten hat und unbedingt wieder glauben können möchte, dass sie schön ist. In meinen Armen ist eine Frau, die mir eine Wolkenkarte für den Himmelsbeobachter geschenkt hat, eine Frau, die alle meine Geheimnisse kennt, eine Frau, die weiß, wie verkorkst ich im Kopf bin, wie viele Tabletten ich täglich schlucke, und die sich dennoch von mir in den Armen halten lässt. Das alles hat etwas Ehrliches an sich, und ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendeine andere Frau hier mit mir mitten auf dem Fußballplatz, sogar mitten im Schneegestöber, liegen würde, weil sie wider alle Vernunft darauf hofft, dass sich eine einzelne Wolke aus einem Nimbostratus löst.
Nikki hätte das nicht für mich getan, nicht einmal an ihrem besten Tag.
Und deshalb ziehe ich Tiffany ein bisschen enger an mich, küsse die harte Stelle zwischen ihren perfekt gezupften Augenbrauen, hole einmal tief Luft und sage: «Ich glaube, ich brauche dich auch.»
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Danksagung
Mein besonderer Dank gilt Verwandten, Freunden, Mentoren und Profis, die mich die ganze Zeit unterstützt und diesen Roman möglich gemacht haben: Sarah Crichton und allen bei FSG, Doug Stewart, Seth Fishman, Al, Dad Dog, Mom, Meg, Micah, Barb und Peague, Jim Smith, Bill und Mo Rhoda, dem «Peruaner» Scott Humfeld, dem «Kanadier» Scott Caldwell, Tim und Beth Rayworth, Myfanwy Collins, Richard Panek, Rachel Pollack, Bess Reed Currence (B), Duffy, Flem, Scorso, Martin Clark, Dave King, Roland Merullo, Helena White, «The WMs» – Jean Wertz, Wally Wilhoit, Kalela Williams, Karen Terrey, Beth Bigler und Tom Léger –, Dave Tavani, Lori Litchman, Alan Barstow, Larz und Andrea, Corey und Jen, Ben und Jess, Onkel Dave, Onkel Pete und meinen Großeltern – Dink und H.
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Über Matthew Quick
Matthew Quick wurde 1973 in Oaklyn, New Jersey geboren. Er studierte Anglistik, arbeitete als Englischlehrer, schmiss
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