Sinnesrauschen #1 - Ginas Bar
Sie ging voraus und betete, dass er nicht bemerkte, wie unangenehm ihr die Gesamtsituation war.
Gina hatte Fiona das Bürozimmer der Bar für die Besprechung zur Verfügung gestellt. Wobei das Wort Büro für diesen Raum etwas zu viel gesagt war. Die weinrot tapezierten Wände wirkten durch die vielen Leuchter, Bilder und goldumrahmten Spiegel ein wenig überladen. In einer Ecke stand ein schmales Regal mit Aktenordnern, die allesamt eingestaubt und von Spinnenweben überzogen waren. Es ließ keinen Zweifel daran, dass Ginas Interessen allem anderen als einer geordneten Buchhaltung galten. Das erklärte womöglich auch die Anhäufung von Schulden.
In der Mitte des Zimmers stand ein altmodischer Schreibtisch aus Mahagoniholz. Ein breiter Stuhl mit hoher Lehne stand auf der einen Seite. Auf der anderen befanden sich zwei Stühle von etwas schlichterer Form.
„Bitte nehmen Sie Platz, Herr ...?“, sagte Fiona und warf ihm einen fragenden Blick zu.
„Nur Dominic, bitte“, entgegnete er und nahm auf dem rechten der beiden Stühle Platz. Er schlug die Beine übereinander, legte seine Hände gefaltet auf den Oberschenkeln ab und lehnte sich lässig zurück. Sein Gesichtsausdruck strahlte einen Hauch von Überlegenheit aus. Fiona setzte sich auf den breiten Stuhl ihm gegenüber. Sie wünschte sich eine Akte, in der sie hätte blättern können, um ein wenig intelligenter zu wirken. Auf diese Weise jedoch, mit einem nackten Schreibtisch vor sich, kam sie sich merkwürdig unbeholfen vor.
„Dominic“, wiederholte sie und wunderte sich, wie angenehm sich der Klang seines Namens auf ihrer Zunge anfühlte. Es war beinahe so, als könnte sie ihn schmecken. „Können Sie mir die genaue Summe nennen, die meine Tante Ihnen schuldet?“
„51.381 Euro und 20 Cent“, sagte er ohne die Miene zu verziehen.
Fiona verschluckte sich beinahe an seinen Worten. „Ich dachte, es ging hier um dreißig oder vielleicht vierzig ...“
„Nein“, unterbrach er sie, „das ist die korrekte Summe, eingeschlossen der Leistungen von gestern Abend.“
„Der Leistungen von ...“, Fiona war irritiert, schüttelte kurz den Kopf und wusste nicht genau, was sie dazu sagen sollte, „... gestern Abend?“
Er lockerte seine Position, setzte sich breitbeinig hin und lehnte sich zu ihr vor. „Wussten Sie, dass Ihre Tante gerne spielt?“
Ihr schossen unweigerlich die Bilder eines Paares bei Fesselspielen durch den Kopf. Die Frau mit einem Knebel im Mund. Der Mann hielt eine brennende Kerze in der Hand und tropfte Wachs auf ihren Körper, der daraufhin vor Lustschmerz erschauerte. Hatte ihre Tante etwa Gefallen an solchen Spielereien?
„Poker“, sagte Dominic trocken und grinste erneut auf eine Weise, als könne er ihre Gedanken lesen.
Nun war Fiona erst recht verwirrt. „Sie meinen, meine Tante spielt gerne Karten? Um Geld?“
„Ja, natürlich. Was dachten Sie denn?“
Bitte nicht schon wieder! Sie verfluchte sich innerlich, konnte es aber nicht aufhalten. Ihre Wangen schienen vor Röte regelrecht zu erglühen.
„Natürlich das gleiche“, log sie. „Was glauben Sie denn, was ich gedacht habe?“
Er betrachtete sie schweigend, was ihr die Gewissheit verschaffte, dass er ganz genau ahnte, was sie gedacht hatte.
„Nun“, begann sie und knetete nervös die Finger. Sie spürte die Feuchtigkeit ihrer Handflächen. Mit aller Gewalt versuchte sie sich zur Ruhe zu zwingen. Nach einem Räuspern fuhr sie fort: „Wie lange geht das schon? Dieses Poker spielen und Schulden anhäufen meiner Tante. Wann haben Sie angefangen, ihr Geld zu leihen?“
„Wissen Sie“, er lehnte sich weiter vor und stützte seine Hände nun ebenfalls auf der Schreibtischoberfläche ab, „Ihre Tante und ich kennen uns schon eine lange Zeit. Am Anfang hat sie mir immer frisches Blut besorgt und ich habe sie dafür bezahlt. Mit Geld, versteht sich. Viel Geld. Blut ist mir lieb und teuer und obendrein kann ich ohne es nicht existieren. Gina allerdings“, er lachte kurz amüsiert auf, als würde er sich an eine Situation aus der Vergangenheit erinnern, „sie wurde gierig. Sie wollte immer mehr Geld, um sich schöne Dinge zu kaufen, und irgendwann geriet sie dann auch in diesen Pokerkreis. Ziemlich üble Leute, mit denen sie da spielt, wenn Sie mich fragen. Aber mich fragt ja niemand. Also hat sie weiter gespielt. Die ersten Male haben diese Leute sie gewinnen lassen, aber nur, um später richtig abzukassieren.“
Während seiner Erzählung war die Röte
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