Sinnliche Maskerade
Figur waren auch ihre Füße schmal, und es hatte Zeiten gegeben, in denen sie sehr stolz darauf gewesen war. Nur dass es in den letzten Monaten für Eitelkeiten wenig Gelegenheit gegeben hatte.
Alexandra setzte sich an den Frisiertisch und zog die Nadeln aus ihrem Haar. Vielleicht sollte sie es offen lassen. Was wäre es für eine Erleichterung, nicht diese strengen Zöpfe oder den züchtigen Knoten im Nacken tragen zu müssen! Sie bürstete sich das Haar, bis es ihr in welligen Locken glänzend über die Schultern fiel. Die Verwandlung war vollendet.
Just als sie die Treppe hinunterkam, schlug die große Uhr in der Halle sechs, während gleichzeitig der Türklopfer ertönte. Billings schlurfte aus der Küche in die Halle und wischte sich den Mund an einem gemusterten Taschentuch ab.
»Ich geh schon, Ma’am.« Er mühte sich mit dem schweren
Türbolzen ab und zog die Tür auf. »Oh, der Gentleman, mit dem Sie heute Nachmittag gekommen sind«, verkündete er überflüssigerweise.
»Danke, Billings.« Sie ging einen Schritt in Richtung Tür. »Guten Abend, Sir.«
Als Peregrine in die Halle trat, reagierte er so, wie sie es nicht besser hätte erhoffen können. Er ließ den Blick über sie schweifen - von ihrem glänzenden kastanienbraunen Haar bis zu den Füßen, die in den zierlichen Slippern steckten. Er riss die Augen auf und lächelte anerkennend.
»Schön, schön. Sie sind eine wirklich gehorsame Dienerin, Ma’am.« Er zog den Hut und vollführte eine elegante Verbeugung. »Ich hatte ja nur darauf gehofft, eine scharfzüngige junge Frau in einem hübschen, wenn auch schlichten und eher ländlichen Musselinkleid begleiten zu dürfen. Stattdessen darf ich mich nun mit der Begleitung eines funkelnden Diamanten der allerersten Güte schmücken.«
Alexandra erwiderte die Verbeugung mit einem tiefen, gleichermaßen förmlichen Knicks. Trotz ihrer inneren Bedenken gegen ihn glänzten ihre Augen vor Vergnügen, als sie sein extravagantes Kompliment hörte, und mit den herrlichsten Gefühlen konnte sie sich eingestehen, dass es voll und ganz gerechtfertigt war. Wenn ihr Leben verlaufen wäre, wie es hätte verlaufen sollen, dann hätte sie schon vor zwei Jahren ihre erste Saison gefeiert; dieser wunderbare Stolz über die Gewissheit, dass von Kopf bis Fuß jeder Zoll an ihr nach einer Lady der Gesellschaft aussah, wäre ihr so vertraut, dass sie es kaum noch bemerken würde. Aber wie das Schicksal manchmal so spielte, war es tatsächlich das erste Mal, dass die erwachsene Alexandra Douglas sich selbst als diejenige Frau erlebte, zu der sie inzwischen herangewachsen war - zu genau jener, falls diese kleine Eitelkeit erlaubt war, attraktiven erwachsenen Frau, die sie immer hatte sein sollen, wenn das Schicksal ihr andere Karten in die Hand gegeben hätte. Und unter dem anerkennenden Blick des Honorable Peregrine Sullivan konnte sie just in diesem Moment darin schwelgen.
»Zu freundlich, Sir. Gegen solch glühende Schmeicheleien muss ich natürlich entschieden protestieren.«
Er lachte kopfschüttelnd.
»Das brauchen Sie ganz und gar nicht. Kommen Sie, Mistress Alexandra, wir wollen in die Stadt gehen. Zeigen wir der Welt dieses bezaubernde neue Gesicht.« Er bot ihr seinen Arm, der in einem Samtärmel steckte.
Alex legte ihre Hand auf seinen Arm und drehte sich zu Billings, während sie mit der freien Hand ihre Röcke anlupfte.
»Sie müssen nicht aufbleiben und auf mich warten, Billings. Legen Sie den Schüssel einfach oben auf die Leiste des Nebeneingangs zu diesem Haus.« Statt zu beobachten, wie der Diener auf ihre Anweisung reagierte, trat sie hinaus in die frische Abendluft, die mit dem beschwingten Gefühl eines Versprechens erfüllt schien.
»Dafür, dass Sie noch nie in diesem Haus gewesen sind, scheinen Sie sich mit dem Nebeneingang aber gut auszukennen«, bemerkte Perry.
»Nein, gar nicht. Aber ich weiß, dass es einen Nebeneingang geben muss. Und alle Türen haben eine Leiste am oberen Rahmen«, gab sie zurück und dachte, dass ihre Erklärung schlüssig genug klingen musste. Peregrine sagte nichts mehr dazu.
Die allabendliche Geschäftigkeit auf den Straßen hatte bereits eingesetzt. Fackelträger liefen auf und ab, an jeder Ecke boten
Sänftenträger ihre Dienste an, Kutschen mit Wappen auf den Seitentüren ratterten über das Kopfsteinpflaster. Alexandra bemerkte, wie die Aufregung in ihr brodelte. All dies, was sie hier erlebte, war so neu, so erregend, dass sie für eine kleine Weile die
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