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So gut wie tot

Titel: So gut wie tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter James
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vergessen.
    Ronnie saß in der U-Bahn, das Gepäck zwischen den Knien. In seinem Leben war etwas schief gelaufen, soviel stand fest, doch er konnte es nicht genau benennen. Viele seiner ehemaligen Mitschüler waren erfolgreich und hatten ihn zu seiner Verzweiflung weit hinter sich gelassen. Sie arbeiteten als Finanzberater, Bauunternehmer, Buchhalter und Rechtsanwälte, hatten protzige Häuser, vorzeigbare Ehefrauen und hinreißende Kinder. Und was hatte er?
    Eine neurotische Lorraine, die sein nicht vorhandenes Geld für endlose Schönheitsbehandlungen ausgab, die sie im Grunde nicht brauchte, für Designerklamotten, die sie sich im Grunde nicht leisten konnten, und für idiotisch teure Mittagessen aus Salatblättern und Mineralwasser, die sie mit ihren magersüchtigen Freundinnen, die alle viel reicher waren als sie, in den angesagtesten Restaurants konsumierte. Und obwohl sie ein Vermögen für Fruchtbarkeitsbehandlungen ausgegeben hatten, hatte sie ihm noch immer nicht das sehnlich erwünschte Kind geboren. Die einzige wirklich sinnvolle Ausgabe war ihre Brustvergrößerung gewesen.
    Natürlich war Ronnie zu stolz, um ihr zu gestehen, in welchem Schlamassel er sich befand. Außerdem war er schon immer ein Optimist gewesen und glaubte, die Lösung seiner Probleme läge in greifbarer Nähe. Er fügte sich wie ein Chamäleon perfekt in seine Umgebung. Als Gebrauchtwagenhändler, dann als Antiquitätenhändler und Immobilienmakler wirkte er immer tiptop. Leider konnte er besser reden als mit Finanzen umgehen. Nachdem er das Immobiliengeschäft gegen die Wand gefahren hatte, war er rasch in die Grundstückserschließung eingestiegen, wo er in Jeans und Blazer aufs Neue überzeugend auftrat. Als die Banken sein aus zwanzig Häusern bestehendes Bauprojekt schon im Planungsstadium platzen ließen, erfand er sich als Finanzberater für reiche Leute neu. Auch dieses Geschäft war eine Seifenblase.
    Nun hoffte er, seinen alten Freund Donald Hatcook davon zu überzeugen, dass er die nächste goldene Gans entdeckt hatte – Biodiesel. Man munkelte, Donald habe mit Derivaten – was immer das auch sein mochte – über eine Milliarde gemacht, während er bei Ronnies gescheitertem Immobiliendeal vor zehn Jahren ein paar schlappe Hunderttausend verloren hatte. Damals hatte er so getan, als ob er Ronnies Gründe für die hingelegte Pleite akzeptieren würde, und hatte versprochen, ihn bei nächster Gelegenheit noch einmal zu unterstützen.
    Sicher, Bill Gates und alle anderen Unternehmer dieses Planeten warteten nur darauf, in den neuen umweltfreundlichen Biosprit-Markt einzusteigen, und hatten vor allem das nötige Kleingeld dafür, doch Ronnie war sicher, eine Nische für sich entdeckt zu haben. Er musste Donald heute Morgen nur davon überzeugen. Donald war clever. Er würde es kapieren. Es war einfach eine todsichere Sache.
    In Gedanken ging Ronnie noch einmal das Gespräch mit Donald durch, und je näher die Innenstadt rückte, desto selbstbewusster wurde er. Er verwandelte sich in Gordon Gekko, den Typen, den Michael Douglas in Wall Street gespielt hatte. Äußerlich war er von dem Dutzend schick gekleideter Wall-Street-Player, die mit ihm in dem schaukelnden Waggon saßen, nicht zu unterscheiden. Falls einer von ihnen auch nur halb so viele Probleme hatte wie er, gelang es ihm, sie gut zu verbergen. Alle wirkten ungeheuer selbstbewusst. Hätten sie ihn auch nur eines Blickes gewürdigt, dann hätten sie einen großen schlanken Mann mit attraktivem Gesicht und zurückgegeltem Haar gesehen, der ebenso selbstbewusst wirkte wie sie.
    Wer es bis vierzig nicht schafft, schafft es nie mehr, sagten manche. In nur drei Wochen wurde er dreiundvierzig.
    Jetzt kam seine Station. Chambers Street. Das letzte Stück wollte er zu Fuß gehen.
    Er trat in den schönen Morgen hinaus und warf einen Blick auf den Stadtplan, den ihm der Mann am Empfang am Vorabend gegeben hatte. Dann schaute er auf die Uhr. Zehn nach acht. Nach seinen Erfahrungen mit New Yorker Bürogebäuden würde er etwa fünfzehn Minuten brauchen, bis er sich im Haus zurechtgefunden hatte. Hinzu kamen fünf Minuten Fußweg, vorausgesetzt, er verlief sich nicht.
    Ein Straßenschild verriet ihm, dass er sich nun auf der Wall Street befand. Er kam an einem Jamba Juice Shop und einer Änderungsschneiderei vorbei und betrat anschließend ein brechend volles Downtown Deli.
    Es roch nach Kaffee und gebratenen Eiern. Er setzte sich auf einen roten Lederhocker an die Theke und

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