So gut wie tot
Peter James
SO GUT WIE TOT
Thriller
Aus dem Englischen von
Susanne Goga-Klinkenberg
Scherz
www.fischerverlage.de
Erschienen bei Scherz, einem Verlag der
S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main
Die englische Originalausgabe erschien 2008 unter dem Titel
»DEAD MAN'S FOOTSTEPS, bei Macmillan,
an imprint of Pan Macmillan Ltd., London
© Really Scary Books/Peter James 2008
Für die deutsche Ausgabe:
© S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2009
Gesamtherstellung: CPI - Ebner & Spiegel, Ulm
Printed in Germany
ISBN 978-3-502-10071-3
Für Dave Gaylor
Ein Teil dieser Geschichte spielt in der Zeit
um den furchtbaren 11. September 2001.
Mein aufrichtiger Respekt gilt allen Opfern und jenen,
die ihre Liebsten verloren haben .
1
WENN RONNIE WILSON beim Aufwachen geahnt hätte, dass er in wenigen Stunden tot sein würde, wäre seine Tagesplanung wohl etwas anders ausgefallen.
Beispielsweise hätte er sich nicht die Mühe gemacht, sich zu rasieren. Oder so viele kostbare letzte Minuten damit verschwendet, sich Gel ins Haar zu schmieren und daran herumzuzupfen, bis es zu seiner Zufriedenheit lag. Auch hätte er nicht ganz so viel Zeit damit verbracht, seine Schuhe zu polieren oder die teure Seidenkrawatte perfekt zu binden. Ganz sicher hätte er auch nicht die exorbitante Summe von achtzehn Dollar bezahlt, die er sich nun wirklich nicht leisten konnte, um seinen Anzug beim Express-Service bügeln zu lassen.
Zu behaupten, dass er sich in seliger Unwissenheit über sein Schicksal befand, wäre übertrieben gewesen. Freude gehörte schon lange nicht mehr zu seinem Gefühlskanon, von Seligkeit ganz zu schweigen. Die empfand er nicht einmal mehr in den flüchtigen Sekunden eines Orgasmus, wenn er und Lorraine, was selten vorkam, noch einmal miteinander schliefen. Seine Eier waren ebenso taub wie der Rest seines Körpers.
In letzter Zeit war er sogar dazu übergegangen, auf die Frage nach seinem Befinden mit den Schultern zu zucken und »Das Leben ist beschissen« zu antworten, was Lorraine ungemein peinlich war.
Das Hotelzimmer fand er auch beschissen. Es war so klein, dass man stolpern konnte, ohne auf den Boden zu fallen. Es war das billigste Zimmer im W, aber die Adresse trug dazu bei, den Schein zu wahren. Stieg man in Manhattan in einem W ab, war man jemand, selbst wenn man in der Besenkammer schlief.
Ronnie wusste, dass er positiv denken musste. Die Leute reagierten auf die Ausstrahlung eines Menschen, vor allem, wenn man Geld von ihnen haben wollte. Selbst ein alter Freund würde einem Verlierer kein Geld geben – jedenfalls nicht so viel, wie er brauchte. Und schon gar nicht dieser bewusste alte Freund.
Er warf einen Blick nach draußen, um zu sehen, wie das Wetter war. Er verdrehte den Hals und spähte an der steilen grauen Klippe des gegenüberliegenden Gebäudes an der 39th Street hinauf, bis er einen schmalen Streifen Himmel erkennen konnte. Die Tatsache, dass es ein schöner Morgen war, besserte seine Stimmung auch nicht. Es war, als hätten sich alle Wolken aus dem blauen Nichts in sein Herz verzogen.
Die falsche Bulgari zeigte 7.43 Uhr. Er hatte sie für vierzig Pfund im Internet gekauft, aber wer konnte schon erkennen, dass sie nicht echt war? Er hatte bereits vor langer Zeit begriffen, dass teure Uhren ein wichtiger Faktor waren, wenn man Leute beeindrucken wollte: Wenn jemand sich die Mühe machte, eine der besten Uhren der Welt zu kaufen, würde er sich wohl auch Mühe mit dem Geld geben, das man ihm anvertraute. Der äußere Schein war nicht alles, aber ganz schön viel.
Also, 7.43 Uhr. Er musste los.
Er nahm seine – ebenfalls gefälschte – Louis-Vuitton-Aktentasche, legte sie auf den gepackten Trolley und zog diesen aus dem Zimmer. Er fuhr mit dem Aufzug ins Erdgeschoss und schlich an der Rezeption vorbei. Seine Kreditkarten waren derart am Limit, dass es vermutlich nicht mehr für die Hotelrechnung reichte, aber darum wollte er sich später kümmern. Das schicke blaue BMW Cabrio, in dem Lorraine so gern umhergondelte, um ihre Freundinnen zu beeindrucken, sollte beschlagnahmt werden, und die Hypothekenbank plante die Zwangsvollstreckung seines Hauses. Der heutige Termin war seine letzte Chance, dachte er entschlossen. Er wollte ein Versprechen einfordern. Ein Versprechen, das zehn Jahre zurücklag.
Hoffentlich hatte der andere es nicht
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