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So still die Nacht

So still die Nacht

Titel: So still die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Lenox
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Sie wirken erregt.« Sein Atem bildete eine kleine Wolke. »Was ist passiert?«
    »Bitte, Sie müssen mit ihm reden.« Sie unterdrückte die Tränen und deutete über ihre Schulter. »Ich glaube, er hat den Verstand verloren. Er behauptet die wildesten Sachen.«
    »Die wildesten Sachen?«, wiederholte der Leutnant stirnrunzelnd. »Welche zum Beispiel?«
    »Dass wir verfolgt werden, dass der Tod des Sherpas kein Unfall gewesen sei.«
    Er drückte ihre Schultern und legte den Kopf in den Nacken. »Vielleicht ist einfach die Höhe der Grund. Manchmal haben große Höhen seltsame Auswirkungen auf den Verstand eines Menschen. Ich werde sofort zu ihm gehen.«
    Sie nickte, schob sich an ihm vorbei und ging zum Rand des Lagers.
    »Wohin wollen Sie?«, rief er ihr nach.
    »Einen Spaziergang machen.« Sie musste allein sein, brauchte Zeit zum Nachdenken.
    »Gehen Sie nicht zu weit«, warnte er sie.
    Ihr Blick fiel auf einen Steinhügel. »Das werde ich nicht.«

1
    »Ich werde Ihnen einen ordentlichen Stoß versetzen. Ja, das werde ich.«
    Mark nahm die Worte durch den schweren Schleier des Schlafs wahr, dachte aber nicht, dass die Drohung ihm galt. Schließlich war er unsichtbar. Unbesiegbar.
    Ein Schatten.
    »… verdammt leid, auf Sie zu warten …«
    Die Stimme, männlich und quälend vertraut, durchdrang zusammen mit anderen fernen Lauten den Vorhang aus Dunkelheit. Ein angenehmes, sich stetig wiederholendes Knarzen. Wasser, das gegen Holz klatschte.
    Der Fluss.
    Mark ergab sich der samtenen Umarmung. Vergessen zerrte ihn in die Tiefe, hinunter in die traumähnlichen Bilder, die er für einen kurzen Moment hinter sich gelassen hatte. Wohlgeformte, treibende Gliedmaßen, Arme und Beine, alle befleckt von einem warmen, verführerischen Scharlachrot.
    Etwas stieß ihm in die Rippen. Fest.
    Zorn wallte in ihm auf. Wie eine provozierte Schlange bäumte sich Mark auf … nur um gegen eine flammende Wand aus Sonnenschein und Klängen zu stoßen. Schiffssirenen, das Klirren von Metall. Ferne Stimmen. Sein Leinenhemd und die Wollhosen klebten ihm nass auf der Haut. Jede Sehne in seinem Körper, jeder Muskel und jeder Zentimeter Haut ächzten entsetzt, als erwachte sein Körper aus einem tausendjährigen Schlaf. Als wachte er von den Toten wieder auf.
    Sein Gehirn pulsierte und drohte, ihm den Schädel zu zersprengen. Mit einem dumpfen Klatschen fiel er in das Wasser zurück, das sich in der Bilge des schmalen Boots gesammelt hatte. Wenn das Ruderboot auf den kabbeligen Wellen hüpfte, klapperten seine Zähne.
    Stöhnend rollte sich Mark auf der Seite zusammen und rieb sich mit den Fäusten die Augen. Er war zu schwach, um sich darum zu scheren, dass das braune Flusswasser an seiner Wange leckte.
    »Hölle«, knurrte er. Selbst seine Stimmbänder brannten.
    »Nein, Lord Alexander«, korrigierte ihn die Stimme wohlgelaunt. »Nicht die Hölle. London.«
    Durch schmale Augenschlitze musterte Mark das sehr bald sehr bedauernswerte Individuum, das ihn in diesen qualvollen Zustand der Wachheit gezwungen hatte. Ein grauhaariger, schnurrbärtiger Herr in Hosen, einem frisch gebügelten weißen Hemd und einer grün-schwarz gestreiften Weste grinste ihn von seinem erhöhten Sitz am Bug des Holzboots an. Ein dünner schwarzer Riemen zog sich ihm schräg über die Stirn und hielt eine schwarze Klappe über einem Auge fest. Der Mann lachte, hob einen Bootshaken und deutete mit der Spitze auf Mark.
    »Wenn Sie mich noch einmal mit diesem Ding stechen, Leeson, werde ich Sie umbringen«, knurrte er.
    Der Unsterbliche lachte bellend und legte sich den Bootshaken über die Knie. »Ich bitte um Entschuldigung, Euer Gnaden. Ich glaubte, Sie würden wieder völlig wegdriften. Ich habe eine ganze Weile gewartet, bis ich Sie geweckt habe. Seit der Passage von Tilbury in der Themsemündung, um genau zu sein.«
    Mark stemmte sich mühsam auf die Ellbogen. Dann stützte er sich mit den Absätzen seiner Stiefel am Kiel des Boots ab und schob sich einige Zentimeter nach hinten, bis er sich mit den Schultern an die hölzerne Sitzbank lehnen konnte. Gott, ihm tat alles weh. Mit seinem geistigen Auge nahm er eine vertraute Szene in sich auf: die Kais und Lagerhäuser der Londoner Docks, auf denen es nur so von Arbeitern und Fährleuten wimmelte. Im Westen waren die schartigen Silhouetten des Uhrenturms und des Parlamentsgebäudes erkennbar. Ein gewaltiger Lastenkahn schob sich vorbei. In seinem Kielwasser begann das Boot erneut zu schaukeln. Mark bog die Finger

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