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So unselig schön

So unselig schön

Titel: So unselig schön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Löhnig
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geschlagen hatte, auch noch die andere hin. Obwohl er das gar nicht könnte. Er liegt im Sterben, hatte Dühnfort gesagt.
    Vielleicht sollte sie doch hingehen, ihm verzeihen. Nein, das, was er getan hatte, war unverzeihlich. Sie war so wütend auf ihn und so verletzt. Er hatte genau das getan, von dem er wusste, es würde sie am tiefsten treffen, sie vernichten. Aber da hatte er sich geschnitten. Sie würde sich nicht unterkriegen lassen.
    Vielleicht sollte sie doch?
    In Giesing stieg sie aus der S-Bahn aus und in die U-Bahn Richtung Klinikum um. Sie würde zu spät kommen, doch das war jetzt egal. Alex lief ihr nicht weg, außerdem war er kein Spießer, der auf Pünktlichkeit wert legte. Er war Punker und würde ihr pünktliches Erscheinen vielleicht total uncool finden.
    Zwanzig Minuten später stieß sie die Tür zur Intensivstation auf. Sie erklärte der Stationsschwester, sie sei eine Freundin von Jobst, erntete einen verwunderten Blick, schlüpfte in den vorgeschriebenen grünen Kittel und die Galoschen und betrat das Zimmer, in dem er lag.
    Ein Geruch nach Desinfektionsmitteln, Medikamenten und seltsamerweise nach verqualmten Klamotten lag in der Luft.
    Vicki setzte sich auf den Stuhl, der seitlich vom Bett stand. Ein Gebirge von medizinischen Geräten blinkte, fiepte und malte Kurven.
    Jobsts Augen waren geschlossen und blutunterlaufen. Jodgelbe Schrammen auf der Wange, weißer Verband am Kopf, Kabel und Schläuche, die unter einer dünnen weißen Decke verschwanden.
    Eine Hand lag darauf. Die andere … die hatte er verloren. Verloren, dämlicher Ausdruck, dachte Vicki. Was man verliert, konnte man wiederfinden … Sie konnte sich einfach nicht vorstellen, dass er diese Frauen … warum?
    Es würde keine Antwort mehr geben.
    Deswegen war sie auch nicht hier.
    Vorsichtig griff sie nach seiner Hand und hätte sie am liebsten geschüttelt, so wie ihn. Warum musstest du mich derart bestrafen? Eine für dich, eine für mich. Und dann schmeißt du dich einfach vor den Zug. Du Arsch! Ich habe dir nichts getan. Das ist so scheißunfair und gemein von dir.
    Aber deswegen war sie nicht gekommen.
    Sie legte seine Hand zurück auf die Decke, hielt sie weiter in ihrer, betrachtete sein verquollenes Gesicht. Ich weiß nicht, was in deinem Leben alles schiefgelaufen ist, ich weiß nur, dass nichts, aber auch gar nichts das entschuldigen kann, was du diesen Frauen angetan hast. Im Vergleich dazu ist deine gemeine Rache an mir gar nichts. Peanuts.
    Ihr Griff um seine Hand verstärkte sich unwillkürlich. »Ich verzeihe dir das. Ich vergebe dir deine Gemeinheit, Boshaftigkeit und Rachsucht. Ich kann sie mir nicht wie Bleigewichte ans Bein hängen. Mach’s gut, wohin auch immer du gehst.« Sie sprach leise, lauschte erstaunt ihren eigenen Worten, stand auf und ging.
    Als die Stationstür hinter ihr zuschlug, fühlte sie sich erleichtert. Sie trat vor die Kliniktür, wo sie in das Blau des Himmels blickte, den Wind auf ihrer Haut fühlte und die wärmende Sonne. Erleichterung breitete sich in ihr aus, wurde zu einer Insel in einem tosenden Meer. In sich horchend verließ Vicki das Klinikgelände, marschierte zurück zur U-Bahn-Station und fühlte, wie Ärger und Wut in ihr schwanden und einer nie gekannten Ruhe Platz machten.
    Mit der U-Bahn kehrte sie zurück nach Giesing, stieg in die S-Bahn um und fuhr nach Laim. Mit einer Verspätung von über einer Stunde klingelte sie am Haus ihres Vaters, der sie zusammen mit seiner Frau und seiner kleinen Tochter zum Abendessen erwartete.
    Ganz schön spießig, dachte Vicki, als sie den Klingelknopf betätigte. Reihenmittelhaus, Schnörkelklingel.
    Drinnen erklangen Schritte. Vickis Herz klopfte plötzlich wie rasend. Was, wenn er sie nun gar nicht mochte? Aber am Telefon war er so nett gewesen. Die Tür öffnete sich. Ein Mann mit Finanzbeamtenfrisur öffnete. Er trug Jeans und ein dunkelblaues Poloshirt von Hugo Boss. Verwirrt musterte sie ihn. War das Alex?
    »Hallo, du bist sicher Vicki.« Sein Händedruck war fest und warm.
    Sie nickte.
    In seinen Augen erschien ein belustigtes Funkeln, während er lächelnd an sich hinabblickte. »Du hast recht. Im Laufe der Zeit bin ich ziemlich … hm …«, er suchte nach dem passenden Wort, »scheißbürgerlich geworden.«

E PILOG
    Sein Vater lächelte ihn an, strich ihm über den Kopf, ein Schmetterling landete auf einer Fliederdolde, Federschmuck und Tomahawk lagen im Gras, Pegasus schnaubte, rieb den Kopf an seiner Schulter, Tante Steffi

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