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SO!KIA: Die vergangene Zukunft (German Edition)

SO!KIA: Die vergangene Zukunft (German Edition)

Titel: SO!KIA: Die vergangene Zukunft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Kittner
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Mittelmeer
    Gestern
     
     
    Der uralte ägyptische Fischer Mohamed Chucri war nur etwas älter als sein kleines von einem Zweizylindermotor angetriebenes Holzfischerboot. Er zählte 72 Lenze unter Allahs Sonne. Das Boot gut 60, mehr oder weniger.
    Ein Normaleuropäer mit etwas Seefahrtserfahrung würde sich bestimmt nur mit voller Seenotausrüstung an Bord dieses Museumsstücks begeben, wenn überhaupt. Und der Germanische LLoyd wäre nie in der Lage, sich auch nur im Entferntesten vorzustellen, dessen Planken zu betreten und dass ein solch Gefährt überhaupt noch schwimmfähig ist. Ganz zu schweigen, was die Waghalsigkeit oder Todesverachtung der Leute anbetrifft.
    Mohamed jedoch zeigte täglich unendliches und ehernes Vertrauen sowie in sein Boot als auch in Allah. Es blieb ihm sowieso nichts anders übrig, wollte er seine Frau, die drei jüngsten arbeitslosen Söhne von insgesamt sechs und sich selbst ernähren.
    Mohamed, angetan mit Kaftan und Fez, der landesüblichen männlichen Bekleidung, getragen von hauptsächlich den älteren Generationen, stand breitbeinig und gebückt in seinem Boot, um die Angelschnüre zu ordnen sowie einigen Proviant und Wasser und Köder aus gesalzenen Fischresten an die immer gleichen Plätzen im Boot unter den Duchten seefest zu verstauen. Wie etwas erahnend, hob er plötzlich sein Haupt und sah in Bodennähe die schmutzige halbversandete von Fischleichen und Mövenkot übersäte Pier entlang.
    Auf der mit Schwimmern, alten Netzen und Netzbojen bestückte nur spärlich beleuchtete Natursteinpier kam ein gutaussehender, vielleicht 35 Jahre alter Mann, angetan mit Jeans sowie einem knallroten kurzärmligen Hemd, auf das Boot und den darin wartenden Alten zu.
    Der alte Fischer grüßte den rothaarigen Ankömmling mit: „Guten Morgen, Tarek, mein Sohn!“
    „Guten Morgen, Vater. Können wir sofort ablegen, damit wir schon bald nach Sonnenaufgang am Fangplatz sind und vor dem Abend zurück?“
    „Natürlich, Sohn. Wie geht es Aischa. Alles in Ordnung zu Hause?“
    „Alles in Ordnung, Vater.“
    Der alte Mann betätigte die Handkurbel am Schwungrad, der Motor sprang mit asthmatischem Geräusch an und der Sohn machte Achter- und Vorleine los, stieß den Vorsteven von der Pier ab und schon tuckerten sie aus dem kleinen Hafen von Matruh in Richtung West-Nord-West, einer grünen Boje, welche vor einer Untiefe der Ausfahrt verankert lag, entgegen.
    Sie ließen dieses Seezeichen wenig später an Backbord zurück. Das offene Meer, wie aus Blei gegossen, lag vor ihnen ausgebreitet bis schier ins Unendliche und nur vom Horizont begrenzt.
    „Was ist mit deinem Boot, Tarek?“
    „Die Stopfbuchse ist defekt und mir läuft jede Menge Wasser an der Schwanzwelle vorbei ins Boot, sodass ich fast mit dem Wasserschöpfen nicht nachkomme.“
    „Und wann ist das repariert?“
    „Insh Allah, morgen, übermorgen oder noch später, al-mulk li-llah, es liegt in Gottes Hand. Das Ersatzteil kommt mit der Schneckenpost. In Matruh gibt’s ein solches Teil für mein Boot nicht. Das schickt mir die Volvovertretung aus Kairo, und auch nur gegen Vorkasse.“
    Der alte Mann lächelte während er, die Ruderpinne unter eine Achsel geklemmt, Kurs hielt.
    Der Bootssteven brach das Wasser schäumend auf, grün schillernde Lichtpünktchen vermischt mit weißem Schaum.
    „Später wird Wind aufkommen!“, rief der alte Fischer seinem Sohn zu.
    Kap Labeit blieb nun achteraus. Bis zur Hundertmetertiefenlinie war’s nicht mehr weit.
    An Backbord erschien, in einem nun zunehmenden fahlen Licht, die Landzunge Ras Abu Laho und scheinbar auch die erwünschte Wassertiefe, denn der alte Fischer forderte seinen Sohn auf: „Tarek, wirf die Angelleinen aus, wir sind da!“
    Sein Sohn griff nach dem ersten, gut klarierten Leinenpaket. Angelleine, Haken, Köder, Bleigewicht und am anderen Ende eine alte Ein-Liter-Plastik-Cocacola-Flasche als Boje gingen über Bord.
    Und dies geschah rund zwanzig Mal, während das Boot im herrlichen, blau strahlenden, fast glasklaren Meereswasser, über dem die ersten Sonnenstrahlen die Restdunkelheit bezwangen, einen großen Bogen fuhr und dabei einer an der Oberfläche treibenden großen durchsichtigen Plastikplane auswich.
    „Verfluchter Mist, immer mehr Plastikabfall im Wasser. Wenn dieser shit unsere Motorkühlung dichtsetzt, dann heißt es rudern und beten, wenn der Motor deswegen heiß läuft und den Geist aufgibt. Die verfluchten Frachtermannschaften werfen ihren Abfall und Separiergut

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