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Solange du schläfst

Solange du schläfst

Titel: Solange du schläfst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Szillat
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ein Riesenfehler vor, dass ich den Plänen meiner Eltern zugestimmt hatte.
    »Wenn wir in Bremen mehr oder weniger unsere Zelte abbrechen, dann nur, wenn jeder von uns hundertprozentig dahintersteht«, hatte mein Vater erklärt, und ich war mir sicher, dass er es genauso gemeint hatte. Damals hatte ich eingewilligt. Aber da hatte ich mir das Leben auf dem Land auch noch ganz anders vorgestellt. Bevor meine Eltern den Kaufvertrag für den kleinen Resthof unterschrieben hatten, war mir das Ganze hier viel freundlicher und verlockender vorgekommen. Endlich die Pferde am Haus. Nicht mehr jeden Tag mit der Straßenbahn in den fünf Kilometer entfernten Reitstall fahren. Ausreitgelände so weit das Auge reichte … Hier ging es Rashun und Maschagar richtig gut. Besonders Rashun hatte sich in den letzten vier Wochen verändert. Mein sonst so hypernervöser Vollblutaraber war richtig gelassen geworden.Und das lag eindeutig am Ortswechsel. Davon war ich fest überzeugt.
    Aber die Dorfbewohner gingen mir schon jetzt gehörig auf den Geist. Neulich hatten drei Nachbarinnen unangekündigt vor unserer Tür gestanden, um sich Claudias
Aussteuerwäsche
anzugucken.
Stühlerücken
hatten sie das genannt. Verrückt! Und dann dieses ständige Geglotze. Als ob wir gemeingefährliche Terroristen wären, die ihr Dorf in die Luft sprengen wollten.
    Unwillkürlich musste ich an den dicken rothaarigen Besitzer des kleinen Supermarkts denken – ein unangenehmer Typ, der einen mit seinen Blicken geradezu durchlöcherte – und schüttelte mich angewidert.
    Aber wollte ich deswegen wirklich wieder zurück nach Bremen? In unsere Stadtwohnung? In mein altes Leben, das zwar völlig okay gewesen war, aber auch nicht gerade besonders aufregend?
    In diesem Augenblick fiel mir Jérôme wieder ein. Ich wunderte mich noch immer, warum er auf einmal so abweisend zu mir gewesen war. Aber da war noch mehr, das ich mir einfach nicht erklären konnte. Als ich ihm das erste Mal in die Augen geblickt hatte, war plötzlich so eine beruhigende Wärme in mir aufgestiegen. Irgendwie hatte mich dieser Blick berührt. Und gleichzeitig hatte ich das Gefühl gehabt, den Boden unter den Füßen zu verlieren …
    Jérôme passte absolut nicht in dieses schreckliche Kaff mit seinen rechtschaffenen Einwohnern, die jeden Samstag die Straße vor ihrem Haus kehrten und die Fenster putzten. Er schien hier genauso wenig hinzugehören wie ich, Lichtjahre vom eigentlichen Leben entfernt, in einer Welt, in der die Uhren noch ganz anders tickten.
    Warum war er bloß hier? Warum war ich hier? Weshalb hatte ich gedacht, es wäre eine gute Idee hierher zu ziehen?
    Klar, für meine Eltern war dieses ruhige, beschauliche Dorf sicher ein Segen. Ich konnte gar nicht sagen, wie lange meine Mutter schon davon träumte, aufs Land zu ziehen, um in Ruhe schreiben zu können. Und mein Vater, ein echter Workaholic, war seit dem Umzug auch viel entspannter, obwohl er nun jeden Tag beinah eineinhalb Stunden nach Bremen in seine Kanzlei fahren musste.
    »Wenn das so weitergeht, dann machst du’s nicht mehr lange«, hatte meine Mutter immer zu ihm gesagt. »Du musst unbedingt einen Ausgleich zum Job haben. Vielleicht können wir einen Ort finden, an dem du einen Gang runterschalten kannst.«
    Na ja, das war Mahlhausen ganz bestimmt. Hier ging wirklich alles viel, viel langsamer. Und vielleicht hatte Claudia ja recht, möglicherweise war es genau das, was für uns im Moment am besten war.
    Auch wenn dieser erste Schultag ätzend gewesen war. Morgen sah die Welt sicher ganz anders aus. Ich brauchte nur etwas Zeit. Nach und nach würde ich mich hier schon einleben. Bestimmt.
    Und außerdem kannte ich ja ein hundertprozentiges Mittel gegen jede Art von Frust …
    Eine halbe Stunde später hatten meine Mutter und ich unsere Pferde gesattelt und wir ritten Richtung Tönisberg in den Wald hinein.
    Ich hatte den Weg vorgeschlagen. Vielleicht aus Neugierde, jetzt da ich wusste, wer auf diesem abgelegenen Hof lebte.
    »Das ist ja einsam«, riss Claudia mich aus meinen Gedanken. »Wer hier wohl wohnt.«
    Ich räusperte mich, weil ich plötzlich befürchtete, meine Stimme könnte versagen. »Ich habe denjenigen heute in der Schule kennengelernt.«
    »Echt?« Claudia schaute mich mit großen Augen an. »Ein Lehrer?«
    Ich schüttelte den Kopf und bemühte mich um einen möglichst gleichgültigen Gesichtsausdruck. »Nein, ein Schüler. Er heißt Jérôme.«
    »Jérôme …«, wiederholte meine Mutter

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