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Sommer

Sommer

Titel: Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Maria Rilke
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Brunnen-Mund, du gebender, du Mund,
der unerschöpflich Eines, Reines, spricht, –
du, vor des Wassers fließendem Gesicht,
marmorne Maske. Und im Hintergrund
    der Aquädukte Herkunft. Weither an
Gräbern vorbei, vom Hang des Apennins

tragen sie dir dein Sagen zu, das dann
am schwarzen Altern deines Kinns
    vorüberfällt in das Gefäß davor.
Dies ist das schlafend hingelegte Ohr,
das Marmorohr, in das du immer sprichst.
    Ein Ohr der Erde. Nur mit sich allein
redet sie also. Schiebt ein Krug sich ein,
so scheint es ihr, daß du sie unterbrichst.
    Werke I , 760f.
    Von den Fontänen
    A uf einmal weiß ich viel von den Fontänen,
den unbegreiflichen Bäumen aus Glas.
Ich könnte reden wie von eignen Tränen,
die ich, ergriffen von sehr großen Träumen,
einmal vergeudete und dann vergaß.
    Vergaß ich denn, daß Himmel Hände reichen
zu vielen Dingen und in das Gedränge?
Sah ich nicht immer Großheit ohnegleichen
im Aufstieg alter Parke, vor den weichen
erwartungsvollen Abenden, – in bleichen
aus fremden Mädchen steigenden Gesängen,
die überfließen aus der Melodie
und wirklich werden und als müßten sie
sich spiegeln in den aufgetanen Teichen?
    Ich muß mich nur erinnern an das Alles,
was an Fontänen und an mir geschah, –

dann fühl ich auch die Last des Niederfalles,
in welcher ich die Wasser wiedersah:
    Und weiß von Zweigen, die sich abwärts wandten,
von Stimmen, die mit kleiner Flamme brannten,
von Teichen, welche nur die Uferkanten
schwachsinnig und verschoben wiederholten,
von Abendhimmeln, welche von verkohlten
westlichen Wäldern ganz entfremdet traten
sich anders wölbten, dunkelten und taten
als wär das nicht die Welt, die sie gemeint …
    Vergaß ich denn, daß Stern bei Stern versteint
und sich verschließt gegen die Nachbargloben?
Daß sich die Welten nur noch wie verweint
im Raum erkennen? – Vielleicht sind wir oben ,
in Himmel andrer Wesen eingewoben,
die zu uns aufschaun abends. Vielleicht loben
uns ihre Dichter. Vielleicht beten viele
zu uns empor. Vielleicht sind wir die Ziele
von fremden Flüchen, die uns nie erreichen,
Nachbaren eines Gottes, den sie meinen
in unsrer Höhe, wenn sie einsam weinen,
an den sie glauben und den sie verlieren,
und dessen Bildnis, wie ein Schein aus ihren
suchenden Lampen, flüchtig und verweht,
über unsere zerstreuten Gesichter geht … .
    Werke I , 456f.
    H eitres Geschenk von den kältern Bergen
versucht in den Juni den Sprung;
blinkend in Bach und Behältern
drängt sich Erneuerung.
    Überall unter verstaubten
Büschen
lebendiger Wasser Gang;
und wie sie selig behaupten,
Gehn sei Gesang.
    Werke II , 167
    A n der sonngewohnten Straße, in dem
hohlen halben Baumstamm, der seit lange
Trog ward, eine Oberfläche Wasser
in sich leis erneuernd, still' ich meinen
Durst: des Wassers Heiterkeit und Herkunft
in mich nehmend durch die Handgelenke.
Trinken schiene mir zu viel, zu deutlich;
aber diese wartende Gebärde
holt mir helles Wasser ins Bewußtsein.
    Also, kämst du, braucht ich, mich zu stillen,
nur ein leichtes Anruhn meiner Hände,
sei's an deiner Schulter junge Rundung,
sei es an den Andrang deiner Brüste.
    Werke II , 166
    C omment fais-tu, beau melon, d'être si frais à l'intérieur, après avoir eu tout ce soleil pour mûrir? Cela me rappelle l'amante délicieuse qui avait des lèvres de source, même au plus fort de l'été de l'amour.

    [Wie machst du es, schöne Melone, so frisch zu sein im Innern, nachdem du all diese Sonne gehabt hast, um zu reifen? Das erinnert mich an die liebliche Liebende, die Lippen hatte wie eine Quelle, sogar im Höchstsommer der Liebe.]
    Gedichte in französischer Sprache, 234f.
    U nd die Sonne nach dem neuen wilden Gewitter fließt so reich herein, als läge wirklich auf allen Plätzen meiner Stube goldechtes Glück. Ich bin reich und frei und träume jede Sekunde des Nachmittags mit tiefem Aufathmen nach. Ich mag gar nicht mehr ausgehen heute. Ich will leise Träume träumen und mit ihrem Glanz wie mit Ranken meine Stube schmücken zum Empfang. Ich will den Segen Deiner Hände auf meinen Händen und meinem Haar in meine Nacht mitnehmen. Ich will nicht zu den Menschen reden, damit ich den Nachklang Deiner Worte, der wie ein Schmelz über den meinen zittert und ihren Klang reich macht, nicht verschwende, und ich will nach der Abendsonne in kein Licht mehr sehen um am Feuer Deiner Augen tausend leise Opfer zu entzünden … . Ich will aufgehen in Dir, wie das Kindergebet im lauten, jauchzenden Morgen, wie die

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