Sommer unseres Lebens - Wiggs, S: Sommer unseres Lebens
ist.“ Er plapperte weiter über nichts und niemanden vor sich hin, weil er wusste, dass er schnell sprechen musste, um die Jungs glaubhaft abzulenken.
Es waren gemeine kleine Gemüter, die leicht zu manipulieren waren. Innerhalb weniger Minuten hatte er sie davon überzeugt, ihr Glück bei Kelly’s zu probieren. Er wollte in die Welt hinausrufen, dass Jane die Frau war, die er liebte, aber Leute wie diese hier würden das nie verstehen.
Er wagte einen Blick zurück und sah, dass sie ihn beobachtete, aber sie war zu weit weg, um ihren Gesichtsausdruck lesen zu können.
George versuchte es noch einmal am nächsten Tag. Wieder wartete er auf ihren Dienstschluss. Zum ersten Mal in seinem Leben würde er mutig und kühn agieren, anstatt vorsichtig um den heißen Brei herumzuschleichen, sich ständig infrage zu stellen und wieder seine Chance zu verpassen. Er war den ganzen Weg nach Manhattan mit dem Zug gefahren, um bei Tiffany einen signierten und nummerierten Diamantring zu kaufen, für den er sich frohen Mutes in Schulden gestürzt hatte. Er war in Farbe und Reinheit makellos, und das in Leder gebundene Zertifikat bestätigte seine makellose Perfektion. George hatte seine Rede tausend Mal im Kopf geübt. Er hatte vor, sich ihr direkt zu nähern und sie vor ihren Kolleginnen zu fragen, ob er kurz mit ihr sprechen könne.
Ich bin in dich verliebt , würde er sagen. Und das ist ein dauerhafter Zustand.
Komm mit mir nach Paris , würde er sagen. Lass uns zusammen in Paris leben.
Das war die perfekte Lösung. Paris – die Stadt der Liebenden. Eine Welt entfernt von seinen Eltern und den sozialen Snobs, die fanden, es wäre unmöglich für einen Bellamy, mit einem Mädchen aus der Arbeiterklasse zusammen zu sein.
Sie wären Tausende Meilen entfernt von neugierigen Blicken, und ihnen läge die Welt zu Füßen.
Ja. Er spürte die tiefe Befriedigung, die sich immer einstellte, wenn ein Plan Gestalt annahm und alles zusammenpasste. Er konnte es nicht erwarten, ihr davon zu erzählen. Er setzte sichauf die Bank an der Bushaltestelle und versuchte, sich die Zeit mit dem Studieren der Zeitung zu vertreiben. Er las eine Kritik des neuen Theaterstücks Warten auf Godot , das gerade im John Golden Theatre Premiere gefeiert hatte. Beckett, der Autor, war Ire, aber er lebte auch in Paris. George nahm das als Zeichen, dass er die richtige Entscheidung getroffen hatte.
In dem Drama spielte Bert Lahr die Hauptrolle, der schon den feigen Löwen in Der Zauberer von Oz gegeben hatte. George fragte sich, ob auch das ein Zeichen war.
„Hey Fremder“, sagte eine Stimme hinter ihm.
George schaute überrascht von seiner Zeitung auf. „Charles.“ Georges Bruder trug dunkelgraue Flanellhosen und einen Kaschmirpullunder mit V-Ausschnitt. Sein Haar glänzte vor Brillantine. In den Händen hielt er einen Blumenstrauß und eine herzförmige Pralinenschachtel.
„Was tust du hier?“, fragte er George. „Einfach nur die frische Frühlingsluft genießen?“
George wusste nicht, was er sagen sollte, also nickte er nur, während seine Gedanken rasten. Scheinbar über Nacht war der Frühling wirklich angekommen. Die Straße wurde von Bäumen beschattet, die blassgrüne Blätter trugen. Riesige alte Fliederbüsche trugen üppige Blütenstände. In jedem Gartenbeet blühten die Tulpen und Narzissen.
„Ja, genau“, sagte George schließlich. „Und du?“
„Ich treffe mich mit Jane.“ Charles zeigte auf das Haus des Hochschulleiters. „Sie arbeitet da drüben.“
Ich weiß. Georges Mund war staubtrocken. Er musste herausfinden, was hier vor sich ging, ohne irgendetwas von dem, was passiert war, preiszugeben. Er räusperte sich und zeigte auf die Blumen und Pralinen. „Gibt es einen besonderen Anlass dafür?“
Charles’ Ohren wurden rot. „Wir hatten vor ein paar Tagen einen kleinen Streit.“
Einen kleinen Streit. Von der Art, die Jane mitten in einer stürmischen Nacht in dem Glauben hatte davonlaufen lassen,dass ihre Affäre vorüber war. Die Art Streit, die sie in die Arme eines anderen Mannes getrieben hatte. Und in sein Bett.
„Wir haben uns wieder vertragen“, versicherte Charles schnell. „Ich war gestern Abend bei ihr, und sie hat mir verziehen. Ich glaube allerdings, dass sie noch ein wenig vorsichtig ist. Ich habe viel wiedergutzumachen.“ Er hob das Bukett an seine Nase. „Pfingstrosen sind ihre Lieblingsblumen.“
George stand auf. Ein Stich fuhr durch sein krankes Bein. Er überlegte kurz, ob er in der
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