Sommer
durch diesen etwas allzu hochgepeitschten, allzu dummen Optimismus, welcher Krieg und Elend, Tod und Schmerz für dummes Zeug erklärt, das man sich nur einbilde, und nichts von irgendwelcher Sorge oder Problematik wissen will – durch diesen überlebensgroßen, nach amerikanischem Vorbild aufgezogenen Optimismus wird der Geist zu ebensolchen Übertreibungen gezwungen und gereizt, zu verdoppelter Kritik, zu vertiefter Problematik, zu feindseliger Ablehnung dieses ganzen himbeerfarbenen Kinder-Weltbildes, wie es die Modephilosophien und die illustrierten Blätter spiegeln.
So zwischen meinen beiden Baum-Nachbarn, der wundervoll vitalen Magnolie und dem wunderbar entmaterialisierten und vergeistigten Zwerge, sitze ich und betrachte das Spiel der Gegensätze, denke darüber nach, schlummere in der Hitze ein wenig, rauche ein wenig und warte, bis es Abend wird und etwas kühle Luft vom Walde weht.
(Aus: »Gegensätze«, 1928)
/ HÖHE DES SOMMERS /
Das Blau der Ferne klärt sich schon
Vergeistigt und gelichtet
Zu jenem süßen Zauberton,
Den nur September dichtet.
Der reife Sommer über Nacht
Will sich zum Feste färben,
Da alles in Vollendung lacht
Und willig ist zu sterben.
Entreiß dich, Seele, nun der Zeit,
Entreiß dich deinen Sorgen
Und mache dich zum Flug bereit
In den ersehnten Morgen.
/ ALTER PARK /
Altes bröckelndes Gemäuer,
Moos und Zwergfarn in den Ritzen;
Durch die schwarzen Eiben blitzen
Grell zerflockte Sonnenfeuer.
Draußen kocht August und glutet;
Hier im moosigen Verstecke
Duftet herb die Buchsbaumhecke,
Feucht von Nelkenrot durchblutet.
Schwarzes nasses Erdreich lagert
Unter Kräutern geil und mastig,
Oben wirrt sich dünn und hastig
Astwerk alt und abgemagert.
Hinter eingerosteten Riegeln
Schlafen flüsternd Lied und Sage,
Wacht das Tor, daß niemand wage
Sein Geheimnis zu entsiegeln.
// SOMMERBRIEFE
I.
Sehr geehrter Herr Hesse!
Ich schreibe Ihnen diesmal aus dem Gebirge, elfhundert Meter hoch, und Sie müssen es mir recht hoch anrechnen, daß ich mich bei dieser maßlosen Hitze zum Korrespondieren entschließe. Aber ich möchte Ihnen doch wenigstens für Ihren letzten Brief Dank sagen. Einig werden wir wohl niemals werden, ja ich fürchte, Ihre Idiosynkrasie gegen uns arme Schullehrer gehe so weit, daß Sie eine solche Einigkeit zwischen uns gar nicht für wünschenswert halten.
Genug von diesen Dingen! Es ist jetzt Sommer und Ferienzeit, da sollen alle diese Fragen ruhen. In einem aber fühle ich mich mit Ihnen und mit jedermann von Herzen einig, nämlich im Erstaunen über die wahrhaft höllische Hitze dieses Sommers. Sogar hier in den Bergen lähmt dieser Sonnenbrand alle Kraft und Unternehmungslust, und noch schlimmer ist es für die armen Landleute, für die ja auch Sie immer ein Herz hatten. Ein Vetter von mir, der für die »F.er Neuesten Nachrichten« arbeitet, hat vorgestern ausgerechnet, daß allein in Schwaben und Franken die diesjährige Trockenheit einen Schaden von annähernd vier Millionen verursacht hat, beziehungsweise zu verursachen im Begriffe ist, denn noch könnte ein ausgiebiger Regen vieles retten. Doch scheint man darauf leider nicht zu rechnen, und so wollen wir uns eben in Geduld darein finden. Ich tröste mich mit Ihnen,der Sie es an Ihrem Bodensee ja noch weit heißer haben. Freilich haben Sie dafür auch die schöne Badegelegenheit!
Es ist ein wahrer Jammer, bei jedem kleinen Ausflug die Klagen der so schwer geschädigten Bauern mitanzuhören. Unsereiner, der sich so lang aus der Stadthitze heraus aufs Land gesehnt hat, ist immer geneigt, die Landleute zu beneiden; aber dies Jahr tun sie einem tatsächlich leid. Gestern zeigte mein Hauswirt mir zwei schöne junge Pflaumenbäume, die am Absterben sind, und mit dem Futter steht es natürlich ganz traurig. Die Natur ist eben, trotz aller anthropozentrischen Vorstellungen, grausam und hat andere Zwecke als menschliche.
Ich würde mich freuen, gelegentlich wieder von Ihnen zu hören, und verbleibe mit den besten Grüßen Ihr alter, Ihnen trotz allem gewogener Gegner
Julius Knayer.
II.
Sehr geehrter Herr Oberlehrer!
Danke schön für Ihren lieben Brief. Schade um die zwei jungen Pflaumenbäumchen! Doch wird Ihr Hauswirt den Schaden wohl verschmerzen können, da er bei dem Prachtwetter gewiß das Haus voll von Sommerfrischlern hat.
Leider muß ich nun gestehen, daß Ihr freundlicher Brief mich, wie fast alle Ihre werten Äußerungen, wieder lediglich zur Kritik und direktem Widerspruch reizt. Daß die Natur
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