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Sommerliches Schloßgewitter

Sommerliches Schloßgewitter

Titel: Sommerliches Schloßgewitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. G. Wodehouse
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naturliebend und friedfertig – als englischer Landadliger war er doch ein Mann von echtem Schrot und Korn. Solange er in der Heimwehr von Shropshire gedient hatte, war es ihm versagt geblieben, dem Ruf des Vaterlandes zu folgen und die Heimat zu verteidigen. Aber wäre dieser Ruf an ihn ergangen, dann hätte Clarence, der neunte Earl von Emsworth ihn zweifellos genauso spontan mit »Ach du meine Güte! Jaja, gewiß!« beantwortet wie dazumal seine Ahnen zur Zeit der Kreuzzüge. Und in seinem sechzigsten Lebensjahr loderte in ihm noch immer der alte Kampfgeist. Der Ehrenwerte Galahad, der sich umgedreht hatte, um verwundert die Prozession zur Tür hinaus verschwinden zu sehen, und sich nun umblickte, stellte überrascht fest, daß er alleine war. Lord Emsworth war verschwunden – aber jetzt kehrte er zurück. In seinen Zügen spiegelte sich kühne Entschlossenheit. In der Hand hielt er eine Flinte.
    »Nanu?« sagte der Ehrenwerte Galahad und blinzelte verwundert.
    Darauf erwiderte das Familienoberhaupt nichts. Es schritt zur Treppe. Genauso festen Schrittes war einstens ein Emsworth dem Feind bei Azincourt entgegengetreten.
    Laute, wie aufgescheuchte Hühner sie hervorbringen, veranlaßten den Ehrenwerten Galahad erneut, sich umzudrehen.
    »Galahad! Was hat das alles zu bedeuten? Was geht hier vor?«
    Der Ehrenwerte Galahad machte seine Schwester mit den ihm bekannten Fakten vertraut.
    »Clarence ist gerade mit einer Flinte nach oben gegangen.«
    »Mit einer Flinte?«
    »Ja, mit meiner, glaube ich. Hoffentlich geht er pfleglich damit um.«
    Er stellte fest, daß nun auch Lady Constance nach oben strebte. Sie kam gut voran auf der breiten Treppe und legte ein solches Tempo vor, daß er sie erst auf dem zweiten Absatz einholte.
    Und während sie noch dort standen, ließ sich eine Stimme vom Ende des Korridors vernehmen.
    »Baxter! Kommen Sie raus! Kommen Sie raus, mein lieber Baxter, auf der Stelle!«
    Bei dem Galopprennen zu dem Zimmer, aus dem diese Worte zu kommen schienen, schlug Lady Constance, die gut vom Start weggekommen war, ihren Bruder um zwei volle Längen. Folglich war sie auch die erste, die einen selbst für die Verhältnisse von Blandings Castle höchst sonderbaren und ungewöhnlichen Anblick zu sehen bekam.
    Ihr junger Gast, Miss Schoonmaker, stand am Fenster und wirkte blaß und verstört. Ihr Bruder Clarence hielt nach Westernmanier eine Flinte im Anschlag und starrte wie gebannt auf das Bett. Und unter dem Bett schob sich – einer Schildkröte nicht unähnlich, die aus ihrem Panzer kriecht – das bebrillte Haupt Baxters des Tüchtigen hervor.

Peinliche Schlafzimmerszene
    Wenn ein Mann gut dreißig Minuten unter einem Bett gelegen hat und dabei gezwungen war, sich die Art von Zwiegespräch anzuhören, wie es anläßlich von Versöhnungen zweier Liebender geführt wird, dann ist er seelisch und körperlich meist in keiner guten Verfassung. In Baxters Haar hingen Staubflocken, seine Kleidung war derangiert, und sein Gesichtsausdruck verriet tiefen Abscheu gegen die gesamte Menschheit. Lord Emsworth, der sich schon auf einen recht wilden Anblick gefaßt gemacht hatte, sah seine Erwartungen bei weitem übertroffen. Er packte seine Flinte fester, und um besser zielen zu können, hob er den Kolben an die Schulter, wobei er ein Auge energisch zukniff und mit dem andern über Kimme und Korn funkelte.
    »Ich hab Sie im Visier, mein Freund«, sagte er freundlich.
    Zwar hatte Rupert Baxter sich noch keine Blumen ins Haar geflochten, aber er schien nicht mehr weit entfernt von dieser letzten Stufe ungehemmter Selbstentfaltung.
    »Hören Sie gefälligst auf, dieses verdammte Ding auf mich zu richten!«
    »Ich denke gar nicht daran«, erwiderte Lord Emsworth entschieden. »Und falls Sie versuchen, gewalttätig zu werden …«
    »Clarence!« Das war Lady Constances Stimme. »Leg sofort das Gewehr weg!«
    »Nein!«
    »Clarence!!«
    »Na schön, na schön.«
    »Nun, Mr. Baxter«, fuhr Lady Constance, die Führungsrolle übernehmend, fort, »Sie haben sicherlich für alles eine Erklärung.«
    Ihre Aufregung hatte sich gelegt. Bei dieser willensstarken Frau dauerten Aufregungen nie lange an. Wenngleich sie das alles befremdlich fand, so war doch das Vertrauen in ihr Idol noch immer ungebrochen. So ungewöhnlich sein Verhalten auch sein mochte, sie war davon überzeugt, daß er alles erklären konnte.
    Baxter schwieg, was Lord Emsworth Gelegenheit gab, seine eigenen Ansichten darzutun.
    »Erklärung«, sagte er

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