Sonnenstürme
PETER
Peter begegnete dem jungen Prinzen zum ersten Mal und gelangte sofort zu dem Schluss, dass Daniel sehr unsympathisch war.
OX hatte dem König eine Karte gegeben, die ihn durch ein Labyrinth aus unterirdischen Tunneln und Räumen dorthin führte, wo Daniel verhätschelt wurde. Peter lehnte lässig an der Tür. »Du bist also Prinz Daniel?«
Der Junge sah argwöhnisch und verärgert auf, wischte sich schuldbewusst die klebrigen Finger an einer teuren Bettdecke ab. Peter fragte sich, ob es dem Jungen irgendwie gelungen war, Süßigkeiten in seine Gemächer zu schmuggeln, obwohl der Lehrer-Kompi solche Leckereien nur als Belohnung für gutes Benehmen zuließ.
Daniels Gesicht war pausbäckig. »Wer bist du?« Es erstaunte Peter, dass der Junge ihn nicht sofort erkannte; immerhin waren Bilder von ihm auf den Welten der Hanse allgegenwärtig. Dann kniff Daniel die Augen zusammen. »He, du bist der König! König Peter.« Er runzelte die Stirn. »Du solltest nicht an diesem Ort sein.«
Peter fragte sich, ob die Augen des Jungen wirklich blau oder wie seine eigenen gefärbt waren. »Wir haben vieles gemeinsam. Vielleicht kann ich dir einen Rat geben, wie du ein richtiges Mitglied der königlichen Familie werden kannst.«
»Ich bekomme schon genug Ratschläge.« Daniel schüttelte sein Kissen auf. »Der König braucht doch nur zu lächeln, Bänder durchzuschneiden und Orden zu verleihen. Warum muss ich all den langweiligen Unterricht ertragen? Jene Dinge könnte ich im Schlaf. Warum lässt man mich nicht einfach in Ruhe?«
»Die Hanse wird dich nie in Ruhe lassen.« Peter trat in den Raum. »Du bist ihr Gefangener.«
»Ich bin kein Gefangener – ich bin der Prinz!«
»Hat sie dich nicht deiner Familie entrissen und von zu Hause fortgebracht?«
Daniel schnaubte abfällig. »Die Hanse hat mich vor einem jämmerlichen Leben bewahrt. Ich hatte einen Stiefvater, der mir nur dann Beachtung schenkte, wenn er mich schlagen wollte. Meine Mutter starb vor langer Zeit. Ich habe eine ältere Schwester, aber sie ist eine Schlampe und interessiert sich nur für ihre Freunde.«
Peter erinnerte sich an seine eigene Familie und die schöne Zeit mit ihr. Wenn er die Wahl gehabt hätte, wäre er sofort zu ihr zurückgekehrt. »Wie kannst du so von deiner Familie sprechen?«
»Sie ist mir gleichgültig. Wenn mein Stiefvater und meine Schwester hierher kämen, würde ich ihnen unter die Nase reiben, dass ich im Flüsterpalast lebe, dass ich der Prinz bin und sie noch immer… nichts sind.«
In Peter erwachte Zorn auf den Jungen. Er fand die Vorstellung unerträglich, dass seine geliebte Estarra gezwungen sein könnte, jemanden wie Daniel zu heiraten. »Wahrscheinlich ist deine Familie tot. Die Hanse hat sie umgebracht, damit dich niemand identifizieren kann.«
Daniel zögerte, aber der Schock war von kurzer Dauer. »Ich bin froh, dass ich sie los bin.«
Peter schloss die Augen und sah ein Erinnerungsbild, das ihm seine Mutter und Brüder zeigte, die bei der Explosion ihres Wohnhauses verbrannt waren. Selbst sein Vater, der die Familie vor vielen Jahren verlassen hatte, war ermordet worden, um Peters wahre Identität geheim zu halten.
Dies war noch schlimmer als befürchtet. »Du bist nicht geeignet, König zu werden«, sagte Peter langsam und kühl. »Eine solche Einstellung qualifiziert dich kaum dazu, ein menschliches Wesen zu sein.«
»Eines Tages werde ich deinen Platz einnehmen«, erwiderte Daniel scharf. »Ich weiß, was die Hanse will, und ich weiß auch, wie viel du vermasselt hast. Ich bin besser als du dafür geeignet, ein Großer König zu sein.«
Peter lag nichts an einer Fortsetzung des unangenehmen Gesprächs. »Das reicht, Daniel. Du hast mir gezeigt, was ich wissen musste.«
Er drehte sich um, ging und ließ den immer noch wetternden Prinzen hinter sich zurück. Daniel durfte auf keinen Fall König werden. Zumindest in diesem Punkt konnten er und Basil Wenzeslas einig sein.
An jenem Abend fand ein langes, langweiliges Bankett statt, an dem König Peter festlich gekleidet teilnahm und immerzu lächelte, ohne etwas zu sagen. Königin Estarra wirkte aufgeregt und geheimnistuerisch, ohne den Grund dafür zu nennen. Schließlich klagte sie über Kopfschmerzen und bat Peter, sie in den königlichen Flügel des Flüsterpalastes zu bringen. Der König entschuldigte sich in aller Form bei den anderen Bankettteilnehmen und verneigte sich. Der Vorsitzende Wenzeslas entließ ihn und bestätigte damit, dass er seinen
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