Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sonntag bis Mittwoch

Sonntag bis Mittwoch

Titel: Sonntag bis Mittwoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Hayes
Vom Netzwerk:
kannte.
    »Hast du kein Ginger-Ale? Das trinke ich gern mit Rye.« Wieder lachte sie, es klang wie das Quietschen eines vergnügten Kindes.
    Ich ging zur Bar. »Kein Ginger-Ale. Keinen Rye. Nichts zu trinken.« Dann heiser: »'raus mit Ihnen!«
    Ihr Blick begegnete dem meinen, amüsiert, aber auch von Erregung verdunkelt. »Willst du mich hinauswerfen?«
    »Wenn nötig, ja.«
    »Das könnte Spaß machen.« Sie neigte sich zu mir. »Los, fang an.«
    »Hören Sie«, sagte ich und mußte mich sehr beherrschen, »ich weiß nicht, worauf Sie hinauswollen, aber lassen Sie sich jedenfalls gesagt sein, daß daraus nichts wird.«
    Ihre Augen wurden noch dunkler. »Du bist wirklich aufregend, Mann.« Dann ging sie dicht an mir vorbei, so daß mich ihre weich schwellende Brust berührte. Sie kauerte sich vor dem Plattenspieler nieder und pfiff leise vor sich hin. Ich blieb reglos stehen. Hilflos. Die Stimme eines Ansagers, von atmosphärischen Störungen verzerrt, füllte den Raum. Die gleichen Nachrichten, die ich schon mehrmals aus dem Autoradio gehört hatte: Truppenverstärkungen für Vietnam; bei einer Demonstration war jemand unter den Augen der Polizei von einem wütenden Mob mit Steinen und Knüppeln attackiert worden, Präsident Johnson –
    Sie suchte weiter, und das ohrenbetäubende, kreischende Stampfen von Beatmusik, monoton wie Dschungelrhythmen, dröhnte durch die Wohnung. Zuerst lief nur ein leichtes Zucken über ihren schmalen Rücken. Verhaltene Intensität leuchtete aus ihrem Blick, den sie unverwandt auf mich und gleichzeitig durch mich hindurch oder in ihr Inneres gerichtet hatte. Ihr Körper bewegte sich, erst in einer Andeutung von Twist, dann schneller, als ihr der Rhythmus ins Blut ging. Schließlich tanzte sie frenetisch mit zuckenden Muskeln, fliegenden Haaren und wilden Arm- und Beinbewegungen. Ich merkte, daß sie sich mir näherte. Die wilden, urwaldhaften Synkopen hämmerten mir gegen die Schläfen. Sie stand nun dicht vor mir, und in ihrem Gesicht lag noch immer der Ausdruck wesenloser Versunkenheit.
    Ich kam zu einem Entschluß. Ich ging zum Radio und schaltete es aus.
    Die plötzliche Stille machte mich benommen. Was nun? Ich leerte mein Glas.
    »Dich hat es auch gepackt.« Sie flüsterte es leise, wissend und herausfordernd. Ein leichtes, triumphierendes Lächeln spielte um ihre Lippen. »Ich weiß Bescheid.« Ihre Augen, noch dunkler als zuvor, betrachteten mich unter gesenkten Lidern. »Und nun? Wirst du wieder sagen, daß du alt bist? Das macht doch nichts aus, Mann! Du machst mich ganz verrückt, sonst wäre ich nicht hier.«
    Sie trat näher an mich heran, und ich brachte es nicht fertig, zurückzuweichen. Ihr Gesicht, Zentimeter vor dem meinen, wirkte noch jünger: weich, mit einer unglaublich klaren, sehr sonnengebräunten Haut. Und nun lag wieder etwas Neckendes in ihrem Blick, weiblicher Spott. Ich bebte am ganzen Körper, ohne etwas dagegen tun zu können. Aus ihren Augen sprach eine Weisheit, weit über ihre Jahre hinaus. Ich spürte, wie mir der Schweiß den Rücken entlanglief, und ich hielt den Atem an.
    Dann küßte sie mich. Ihr Körper preßte sich eng an meinen, und ich spürte sie überall. Unwillkürlich und ohne klaren Gedanken legte ich die Arme um sie, fühlte die weiche Nachgiebigkeit ihrer Lippen unter den meinen, und dann setzte mein Verstand aus. Ich folgte dem Impuls, doch dann kam ich wieder zu mir und zügelte mich. Im Unterbewußtsein wußte ich, daß ich betrunken sein mußte, betrunken war, aber gleichzeitig überflutete mich eine verrückte Hochstimmung, die mich ausgehöhlt zurückließ, und während wir uns aneinanderklammerten, drehte sich das Zimmer um mich. Ich mußte wohl träumen – dies konnte doch nicht wahr sein –
    Sie trat zurück, atemlos und mit schwarzen, brennenden Augen. Aber das Lächeln schwebte noch immer um ihre Lippen: leise, siegessicher. Dann wandte sie sich ab und ging auf Strümpfen in mädchenhafter Erwartung auf die Treppe zu, die zu einer Galerie führte, von der man in weitere Zimmer gelangte.
    »Was soll uns hindern?« Kindliche Verschwörermiene, über das Geländer gelehnt blickte sie auf mich herab, und ihre Haare fielen ihr über die Augen. »Was, Mann? Du willst doch, daß ich bleibe, oder?«
    »Nein.« Es war ein bösartiges Knurren. »Ich will Sie aus dem Haus haben, sofort.«
    Und das stimmte auch, und doch wieder nicht.
    »Mach mir nichts vor.« Sie drehte sich um. »Wo geht es da hin?« Sie zeigte auf das

Weitere Kostenlose Bücher