Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Titel: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johann Gottfried Seume
Vom Netzwerk:
in seiner Unbefangenheit eine prophetische Seele gehabt haben. Es hat wirklich alles Ansehen, sich zu machen. Man sagt, Caprara habe schon auf Wiederherstellung der Klöster angetragen, sei aber von Bonaparte zurückgewiesen worden. Bonaparte müßte nicht der kluge Mann sein, der er ist, wenn er ohne Not solche Sprünge machen wollte oder mehr gäbe, als er zu seinem Behufe muß. Es ist das Glück des Adels und der Geistlichkeit, daß sie mit Modifikationen in seine Zwecke gehören. Wenn's not tut, wird sich schon alles geben. Daß die Katholizität in Frankreich noch vielen Anhang, teils aus Überzeugung, teils aus Gemächlichkeit, teils aus Politik hat, beweist das Konkordat sehr deutlich. Man hat wirklich den Katholizismus zur Staatsreligion, das heißt zur herrschenden, gemacht, und ich stehe nicht dafür, wenn es so fortgeht, daß man in hundert Jahren das Bekehrungsgeschäft nicht wieder mit Dragonern treibt. Ich selbst wurde durch die Rolle, die Bonaparte dabei spielte, gar nicht überrascht; es war seine Konsequenz; er war bei der Osterzeremonie der nämliche, welcher er in Ägypten war, wo er sein Manifest anfing: »Im Namen des einzigen Gottes, der keinen Sohn hat!« Er dachte
mundus vult – ergo –;
aber das Sprichwort ist nicht wahr, und es wäre zu wünschen gewesen, daß er nicht so gedacht hätte.
»Il est un peu singe, mais il est comme il faut
«, sagte der geistliche Herr im Postwagen. Wenn er Bonaparte dadurch richtig gezeichnet hat, so ist es zugleich ein gräßliches Verdammungsurteil für seine Nation. Nur die Zeit kam erleuchtend. Der Mann ist von seiner Größe herabgestiegen. Es wird erzählt, er habe die Fahnen weihen wollen, sei aber durch das Gemurmel der alten Grenadiere davon abgehalten worden, die doch anfingen, die Dose etwas zu stark zu finden. Ein Mann, der in Berlin und Petersburg entschieden republikanische Maßregeln nimmt, gilt dort mit Grund für widerrechtlich, und die Regierung verfährt gegen ihn nach den Gesetzen; das Gegenteil muß aus dem nämlichen Grunde seit zehn Jahren in Frankreich gelten, man müßte denn in der Berechnung etwas höher gehen, welches aber sodann jedem Revolutionär in
utramque partem
zustatten kommen würde.
    Jetzt lebt er einsam und mißtrauisch, mehr als je ein Morgenländer. Friedrich versäumte selten eine Wachparade; der Konsul hält alle Monate nur eine einzige. Er erscheint selten und immer nur mit einer starken Wache und soll im Schauspiel in seiner Loge sogar Reverberes nach allen Seiten haben, die ihm alles zeigen, ohne daß ihn jemand sieht. Bei andern liberaleren Maßregeln könnte er als Fremdling wie eine wohltätige Gottheit unter der Nation herumwandeln, und sein Name würde in der Weltgeschichte die Größe aller andern niederstrahlen. Nun wird er unter den Augusten oder wenigstens unter den Dionysen glänzen; dafür hat er auf den kleinlichen Ruhm eines Aristides Verzicht getan. Ich könnte weinen; es ist mir, als ob mir ein böser Geist meinen Himmel verdorben hätte. Ich wollte so gern einmal einen wahrhaft großen Mann rein verehren; das kann ich nun hier wieder nicht.
    Man sagt sich hier still und leise mehrere Bonmots, die seinen Stempel tragen. Von dem Tage des ägyptischen Manifests an hat sich meine Seele über seinen Charakter auf Schildwache gesetzt. Das Konkordat und die Osterfeier sind das Nebenstück. Als ihn ein zelotischer Republikaner in die ehemaligen Zimmer des Königs führte, die er nun selbst bewohnen wollte, und ihm dabei bedeutend sagte:
»Citoyen, vous entrez ici dans la chambre d'un tyran
«, antwortete er mit schnellem Scharfsinn:
»S'il avoit été tyran, il le seroit encore.
« Eine furchtbare Wahrheit aus seinem Munde! Als ihm vorgestellt wurde, das Volk murre bei einiger seiner Schritte, er möchte bedenken, erwiderte er
»Le peuple n'est rien pour qui le sait mener.
« Den Siéyès, den die Partei des Konsuls bei jeder Gelegenheit als einen Flachen, sehr subalternen Kopf darstellt soll er auf eine Erinnerung sehr skoptisch gesagt haben:
»Si j'avois été roi en 1790, je le serois encore, et si j'avois dit alors la messe, j'en ferois encore de même.
« Ich sage Dir, was man hier und bedächtlich an öffentlichen Orten spricht; denn laut zu reden wagt es niemand, weil seine
lettres de cachet
ebenso sicher nach Bicetre führen als unter den Königen in die Bastille. Als das bekannte Buch über das lebenslängliche Konsulat erschien und er es nicht mehr unterdrücken konnte und doch den Verfasser, der

Weitere Kostenlose Bücher