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Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Titel: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johann Gottfried Seume
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ein angesehener und von der Nation allgemein geachteter Mann war, willkürlich gewaltsam in der Krise anzutasten nicht wagte, begnügte er sich zu sagen, es sei alles sehr gut, aber jetzt nur etwas zu früh. Jedermann, der etwas weiter blickte, behauptete, es sei leider etwas zu spät. Das gesetzgebende Corps nennt man hier nur die Versammlung, durch welche er Gesetze gibt. Als ein Kommissär mit dem feinen Vorschlag des lebenslänglichen Konsulats nicht sogleich überall erwünschten Eingang fand, sondern vielmehr Schwierigkeiten aller Art antraf, soll er bei dem schnellen Rapport ungeduldig mit den Finger geknackt und gesagt haben:
»Ah, je saurai les attraper.
« Das hat er gehalten. Er schmiedete das Eisen schnell, weil es warm war, nach vierzehntägigen Abkühlungen und Überlegungen möchte die Sache anders gegangen sein. Über die Stimmung werden sonderbare Anekdoten erzählt; aber sie ist nun geschehen.
    Man nennt ihn hier mit verschiedenen Namen,
le premier consul, le grand consul, le consul
vorzugsweise. Die beiden andern, die auch nur das Dritteil der Wache haben, sind neben ihm Figuranten, und ihrer wird weiter nicht gedacht als in der Form der öffentlichen Verhandlungen. Scherzweise nennt man ihn auch
Sa Majesté
, und ich stehe nicht dafür, daß es nicht ernst wird. Auch heißt er ziemlich öffentlich
empereur des Gaules;
vielleicht die schicklichste Benennung für seinen Charakter, welche die Franzosen auch zugleich an die mögliche Folge erinnert! Auf Cäsar folgte August und so weiter.
    Die Feier des Tages des Bastillensturms beschloß ein Konzert in den Tuilerien, wo in dem Gartenplatze vor dem Orchester am Schlosse eine unzählige Menge Menschen zusammengedrängt stand. Die ganze Nationalmusik führte es aus und tat es mit Kunst und Fertigkeit und Würde. Die Musik selbst gefiel mir nicht, ein Marsch ausgenommen, der durch seinen feierlichen Gesang eine hohe Wirkung hervorbrachte. Ich habe den Meister nicht erfahren. Das erste Orchester und vielleicht die erste Versammlung der Erde hätte bessere Musik haben sollen. Auf dem Balkon waren alle hohen Magistraturen der Republik, wie sie noch heißt, in ihrem Staatsaufzuge, und von den fremden Diplomatikern diejenigen, denen der Rang eine solche Ehre gab. Der erste Konsul ließ sich einigemal sehen, ehe man Notiz von ihm nahm. Endlich fingen einige der Vordern an zu klatschen; es folgte aber nur ein kleiner Teil der Menge. Der Platz hielt vielleicht über Hunderttausend, und kaum der hundertste Teil gab die Ehrenbezeigung. Der Enthusiasmus war also nicht so allgemein, als man für ihn in seiner neuen Würde hätte erwarten sollen. Auch die Illumination war nicht die Hälfte von dem, was sie voriges Jahr gewesen sein soll, und man sprach hier und da davon, daß die republikanischen Feste nach und nach eingehen sollten. Das ist begreiflich. Indessen werden sie doch etwas länger dauern als die Republik selbst, wie die meisten Zeichen länger währen als die Sache selbst.
    Von den Merkwürdigkeiten in Paris darf ich nicht wieder anfangen, wenn ich kein Buch schreiben will; und dazu habe ich weder Lust noch Zeit noch Kenntnis. Die bunte Szene wandelt sich alle Tage interessant. Bloß der Garten der Tuilerien mit den Elysäischen Feldern, welcher die Hauptpromenade der Pariser in dieser Gegend ausmacht, gewährt täglich eine unendliche Verschiedenheit. Die Preßfreiheit ist hier verhältnismäßig eingeschränkter als in Wien, und ich bin fest überzeugt, wenn der Tartüffe jetzt erschiene, man würde ihn ebensowohl verdammen als damals; und Moliere könnte wieder sagen:
»Monsieur le président ne veut pas qu'on le joue.
« Die Dekaden sind durch das Konkordat und die Einführung der römischen Religion notwendig geradezu wieder abgeschafft; sie heben einander auf. Auch rechnet man in Paris fast überall wieder nach dem alten Kalender und zählt nach Wochen. Die öffentlichen Verhandlungen werden bald folgen. Die Fasten werden in den Provinzen in Frankreich hier und da strenger gehalten als selbst in Italien. In Italien konnte ich fast überall essen nach Belieben; in Dijon mußte ich einige Male, sogar an der Wirtstafel, zur Fasten mit der Gesellschaft Froschragout essen, es war kein anderes Fleisch da. Mir war es einerlei, ich esse gern Frösche; aber diese Mahlzeit ist doch sonst nicht jedermanns Sache. So ging mir es noch mehrere Male auf der Reise. In Paris nimmt man freilich noch keine Notiz davon, aber man tat es auch ehemals nicht. Die alten

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