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Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Titel: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johann Gottfried Seume
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murrte er und verlangte mehr. Ich gab dem Mann in den ehemaligen Zimmern des Königs dreißig Sols; dafür war er nicht höflich. Alles war teurer und schlechter, und alle Gesichter waren mürrischer. Das scheint mir nun so die eingewurzelte Natur des alten Hofwesens zu sein. Du wirst mir die Beschreibung der Herrlichkeiten erlassen. Unten das Naturalienkabinet ist sehr artig und enthält mehrere Kuriositäten, muß aber freilich viel verlieren, wenn man einige Tage vorher den Botanischen Garten in Paris gesehen hat. Eine eigene Erscheinung ist in dem hintersten Zimmer eine Zusammenhäufung der Idole der verschiedenen Kulten des Erdbodens. Darunter stand auch das Kreuz, und mich wundert, daß man es nach Abschließung des Konkordats noch nicht wieder von hier weggenommen hat, da es doch sonst durchaus wieder in seine Würde gesetzt ist. Die Gemälde auf den Sälen oben sind alle aus der französischen Schule, und es sind viele Stücke darunter, die durch Kunst und noch mehr durch Geschichtsbeziehung interessant sind. Der Garten und vorzüglich die Orangerie wird in guter Ordnung gehalten. Sie ist schön, und es ist wohl wahrscheinlich, was man sagt, daß Bäume dabei sind, die schon unter Heinrich dem Vierten hier gestanden haben. Die Partien nach Trianon hinüber sind noch ebenso schön, als sie vor zwanzig Jahren waren. Die Versailler, welche unstreitig von allen am meisten durch die Revolution verloren haben, und bei denen das monarchische Wesen vielleicht noch am festesten sitzt, schmeicheln sich, daß der Hof wieder hierher kommen werde, damit sie doch nicht gänzlich zugrunde gehen. Das ist geradezu ihre Sprache und ihr Ausdruck, und sie haben wohl daran nicht Unrecht. Wenn sie vom Großkonsul sprechen, nennen sie sein Gefolge seinen Hof; und wenn man die Sache recht ohne Vorurteil nimmt, ist er absoluter und despotischer als irgendein König von Frankreich war, von Hugo Capet bis zum letzten unglücklichen Ludwig. Jetzt wird St. Cloud für ihn eingerichtet.
    Gestern habe ich ihn auch endlich gesehen, den Korsen, der der großen Nation mit zehnfachem Wucher zurückgibt, was die große Nation seine kleine seit langer Zeit hat empfinden lassen. Es war der vierzehnte Juli und ein großes Volksfest, wo der ganze Pomp der seligen Republik hinter ihm herzog. Früh hielt er große Parade auf dem Hofe der Tuilerien, wo alles Militär in Paris und einige Regimenter in der Nachbarschaft die Revue passierten. Ich hatte daher Gelegenheit, zugleich die schönsten Truppen von Frankreich zu sehen. Die Konsulargarde ist unstreitig ein Corps von den schönsten Männern, die man an einem Orte beisammen denken kann; nur kann ich mir in den französischen Soldaten, ich mag sie besehen, wie ich will, immer noch nicht die Sieger von Europa vorstellen. Wir sind mehr durch den Geist ihrer Sache und ihren hohen Enthusiasmus als durch ihre Kriegskunst geschlagen worden. Die taktische Methode des Tiraillierens, die aber vielleicht nur der Überlegene an Anzahl brauchen kann, hat das Ihrige auch getan. Von Bonaparte sollte ich wohl lieber schweigen, da ich nicht sein Verehrer bin. Einen solchen Mann sieht man auf zweihundert Meilen vielleicht besser als auf zehn Schritte. Es scheint aber in meinem Charakter zu liegen, Dir über ihn etwas zu sagen, und das will ich denn mit Offenheit tun. Ich bin keines Menschen Feind, sondern nur der Freund der Wahrheit, Freiheit und Gerechtigkeit. Neid und Herabsetzungssucht sind meiner Seele fremd, ich nehme immer nur die Sache. Ich bin dem Manne von seiner ersten Erscheinung an mit Aufmerksamkeit gefolgt und habe seinen Mut, seinen Scharfblick, seine militärische und politische Größe nie verkannt. Problematisch ist er mir in seinem Charakter immer gewesen und ist es jetzt mehr als jemals, wenn man ihn nicht geradezu verdammen soll. Bis auf den Tag von Marengo, wo ihn Desaixs Tod aus den republikanischen Grenzen heraushob, hat er als Republikaner im allgemeinen handeln müssen; seitdem hat er nichts mehr im Sinne eines Republikaners getan.
    Als er aus Ägypten kam, trat er die Krise seines Charakters an. Wir wollen sehen, was er in Paris tut, dachte ich, und dann urteilen. Ich tadle ihn nicht, daß er das Direktorium stürzte; es war keine Regierung, die unter irgendeinem Titel die Billigung der Vernünftigen und Rechtschaffenen hätte erhalten können. Ich tadle ihn nicht, daß er soviel als möglich in der wichtigen Periode das Ruder des Staats für sich in die Hände zu bekommen suchte; es war in

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