Sperrzone Fukushima
zugezogen. Versuchen Sie, sich diese Häuser mit den geschlossenen Vorhängen vorzustellen, wenn Sie können, und die Schatten ihrer silbern eingefassten Dachschindeln, die blauen Blumen in jemandes Hintergarten, der wie der Rasen vor anderen Häusern noch immer anständig gemäht aussah, der kalten Jahreszeit wegen vermutlich. An einem anderen Haus hatten ein paar Topfpflanzen zu welken begonnen, aber die anderen standen noch immer makellos da. Vielleicht kehrten mehr Menschen aus der Großen Palette nach Hause zurück als allgemein angenommen.
Hinter einer Außentür stand eine Schiebetür weit offen. Wir riefen und riefen, aber niemand antwortete. Ich informierte die Polizei am Kontrollpunkt, weil der Taxifahrer von gestern Abend gesagt hatte, in der geräumten Zone seien inzwischen Einbrecher unterwegs.
Im Schatten eines alten Holzhauses standen neben sauberen Schaufeln ganz ordentlich ein paar Fahrräder angelehnt. Eine Reihe Sandsäcke, zum Schutz vor Tsunamis vielleicht, lief rund ums Haus.
Was soll man sagen zu diesem Ort? Der Morgen warf seine Schatten, die Vögel sangen, das Dosimeter stand auf 2,7 Millirem, die Schatten der elektrischen Leitungen tanzten auf der gerippten Betonfassade einer Werkstatt, ein kleiner schwarzer Käfer kroch über einen Sandsack.
Ein Bus passierte den Hauptkontrollpunkt, dann ein Laster, dann drei Autos, die Polizisten winkten sie alle mit ihren weiß behandschuhten Händen durch, dann schlossen sie die Schranke wieder, und alle fuhren zurück in Richtung Koriyama. Dann näherte sich ihnen von unserer Seite aus ein Mann auf einem Motorrad.
»Wenn Sie keinen ganz besonderen Grund haben, darf ich Sie nicht durchlassen«, erklärte ihm ein Polizist.
»Aber mein Bruder ist in der Zone. Gibt es noch einen anderen Weg?«
»Vielleicht kommen Sie noch ein kleines Stück weiter«, sagte der Polizist.
Also fuhr der Motorradfahrer weiter zu dem unbemannten Kontrollpunkt, durch den die Dolmetscherin und ich uns geschummelt hatten. Später berichtete der Taxifahrer, der mit dem Mann gesprochen hatte, er habe sich über ein brennendes, prickelndes Gefühl beklagt, eines der ersten Symptome massiver Verstrahlung natürlich. Psychosomatisch vielleicht oder irgendeine allergische Reaktion; niemand, den wir in Koriyama oder gar in der Großen Palette befragten, hatte von einem Fall von Strahlenkrankheit gehört.
Dann rief der Fahrer uns zu sich. Er hatte einen echten Einheimischen entdeckt: bärtig und grau, mit einem hochroten Arbeitergesicht, in blauer Regenjacke und Mütze; er dürfte um die fünfzig gewesen sein. Er trug grüne Handschuhe, einen Mundschutz und grüne Stiefel. Das Eisengitter der Showa-Shell-Tankstelle war nur halb hochgezogen. Gebückt stand er direkt davor und spritzte mit einem Schlauch ein Stück Gehweg ab. Während er mit uns sprach, arbeitete er ohne Unterbrechung weiter. Er bat uns nicht in sein Haus nebenan, wo kurz der Vorhang hinter dem Fenster im ersten Stock aufging und eine wunderschöne weibliche Hand aufblitzte, die über der Vorhangstange ein Handtuch zusammenlegte; diese Ehefrau oder Tochter erledigte drinnen offenbar die Wäsche. Die Vorhänge schlossen sich wieder. Der Arbeiter sagte: »Dies ist das Gebiet, wo man im Haus bleiben muss. Das ist mein Gebiet. Wir werden bald gehen. Wir haben eine Katze, die drinnen bleiben muss, und es tut uns so weh, dass wir sie nicht nach draußen lassen können. Ich bin hier der Chef der Feuerwehr, also prüfe ich jeden Tag die Strahlung im Gemeindebüro. Heute haben wir 0,38 Millisievert. Am 17. sind alle weg …« 39 Er unterbrach seine Arbeit nicht, bis ich ihm meine beste Atemschutzmaske zum Geschenk machte und er innehielt, um sich tief zu verbeugen, dann machte er hastig weiter.
Noch immer spürte ich die kühle Brise im Rücken, und derBach klang lauter als fast alles andere. Ich inspizierte einen kleinen Vogel im Gras, Rost an einem Geländer, beschnittene Kiefern, dann ließ ich den Blick über nacktes, leeres Pflaster schweifen. Ich ging eine letzte Auffahrt hinauf und klingelte. Die Glocke läutete und läutete; die Tür war abgeschlossen.
Am deutlichsten sind mir aus irgendeinem Grund die Fahrräder im Gedächtnis geblieben, säuberlich an die leeren Häuser gelehnt, die ihnen Schatten spendeten.
Wann immer ich zu ihm hinsah, ließ der Fahrer eifrig den Motor an. Er erinnerte mich an den verlorenen Jungen, der unmittelbar vor den heißen Quellen von Sendai auf dem verschneiten Gehweg zu stehen hat,
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